Wie bin ich auf die Idee gekommen, den Jakobsweg zu gehen?

Der nachfolgende Text ist die Antwort auf diese Frage:

Interessant wäre noch, wenn Sie uns schildern könnten, wie Sie darauf gekommen sind, den Weg zu gehen. Haben Sie das schon lange vor gehabt oder war das eine spontane Idee? Vielleicht könnten Sie kurz etwas dazu schreiben.


Da stellen Sie mir aber Fragen! Habe die letzten Tage intensiv darüber nachgedacht und jetzt, da ich gerade auf einer kleinen Bergkuppe auf dem Hunsrück, zwischen Beilheim und Zell an der Mosel von einem kleinen Unwetter überrascht worden bin, sitze ich geschützt in einer kleinen Kapelle und habe Zeit Ihnen zu schreiben.

Irgendwie komme ich meinen selbst gesteckten Vorsätzen, mit Ruhe abends Emails zu schreiben, zur Zeit nicht gut nach. Einerseits ist man abends wegen der Geherei über die recht bergigen Wege sehr geschafft, andererseits hat man ja auch noch Verpflichtungen, z.B. Wäsche zu waschen. Und einem Schoppen Moselwein kann man auch nicht immer widerstehen.

Wie bin ich auf die Idee gekommen, den Jakobsweg zu gehen?

Nachdem meine Frau gestorben war, begann zunächst eine Zeit, in der ich mich absichtlich sehr beschäftigte. Erst viele Briefe an all unsere Bekannten mit der Hand schreiben, später dann Hüftoperation und Rehabilitation. Aber das ging alles vorüber. Und Ende November saß ich zuhause und war allein. Und da war plötzlich diese Idee und noch eine andere da.

Und da die andere Idee nicht zu verwirklichen war, blieb die Idee, den Jakobsweg zu gehen, und wurde in meinem Hirn immer vorherrschender.

Ich hatte mich vorher nie damit ernsthaft beschäftigt, hatte wohl einige Bücher gelesen. Das von Shirley MacLaine, das von Betsy Sally und das von Hape Kerkeling. Aber diese Bücher haben mich bei dem Wunsch wohl kaum beeinflußt.

Wichtig war für mich, die Wanderung allein zu machen, um vielleicht ein bisschen Abenteuer zu erleben. Wichtig war auch die Strecke, die überall, in Deutschland, Frankreich und in Spanien durch Gebiete führt, die mich sehr interessieren. Und ganz wichtig war für mich das Ziel.

Am Anfang habe ich mich nicht gefragt: "warum", deswegen kann ich Ihnen diese Frage auch nicht ohne weiteres beantworten.

Aber Ausgangspunkt der "Idee" war immer das Ziel: Santiago de Compostela.

Es war wohl auch der Wunsch, etwas Sinnvolles zu tun, etwas das über lebenserhaltende Tätigkeiten, wie Garten anbauen und pflegen, Haus renovieren und erhalten, Wehwehchen bei sich suchen und vom Arzt heilen lassen, gut essen und gut trinken, Theater gehen und Freundschaften pflegen, Körper ertüchtigen und pflegen, über Gott und die Welt gescheit daherreden, beim Bier vor dem Fernseher den Fußballern zuschreien wie sie´s machen sollen, über den Benzinpreis zu schimpfen usw., hinausgeht.

Aber im Laufe der immer intensiveren Beschäftigung mit diesem Plan war auch noch etwas Anderes, Weitergehendes was mich trieb. Wenn einen ein lieber Mensch verlässt, dann ist das nicht so als wenn ein liebes Tier gestorben ist oder das über alles "geliebte" Auto zum Schrotthändler gebracht wird. Auch denen trauert man nach.

Ich glaube an unseren Gott und ich glaube auch, dass wir weiterleben und dass eine innige Beziehung auch nach dem Tode weiter bestehen bleibt. All das sind ganz einfache Sachen, wenn man sie in der Liebe spürt, sie sind aber hoch kompliziert, wenn man sie sich selbst oder einem anderen erklären möchte. Also ich wollte hier ein bisschen mehr Klarheit und Sicherheit suchen, soweit das einem so unbedarften Menschen wie mir mögch ist.

Und ich wollte mich deshalb auch bewußt in die Unsicherheit und Unbequemlichkeit dieses Wanderlebens begeben mit allen Konsequenzen.

In der Folge beschäftigte ich mich ernsthaft mit der Planung: Ausrüstung, Streckenplanung usw. Dann testete ich mich, ob ich überhaupt fähig wäre eine längere Stecke zu laufen, ich war ja stets passionierter Autofahrer gewesen und ein eher fauler Wanderer. Und so marschierte ich Sonntags immer durchs schöne Chemnitztal nach Wechselburg zum Gottesdienst und wieder zurück, das sind dann so um die 16 km.


(Wird fortgesetzt..., Anm. d. Red.)