04
Juni
2008

Buttelstedt/Schwerstedt (2. Juni)

Hallo, Ihr Nichtsahnenden!

Ich sitze hier in Schwerstedt, total verschwitzt. Es ist 9 Uhr. Ich bin ja schon 4km in strahlender Sonne gewandert. In einem Gasthof vor einem Glas Saft und erwarte ein opulentes Frühstück.

In Buttelstedt gab's überhaupt nichts. Wir (Heiko und ich) waren ja in einer Herberge. In dieser Stadt... Stadt! Mit 1400 Einwohnern soll es einen Metzger geben, bei dem man auch eingepackte Brötchen bekommen soll. Heiko war ein Umweg von 1000 Metern diese Ankündigung wert. Ich vertraute auf Gott und hatte absolut keine Lust, mir beim Gehen Wurst und trockenes Brot "reinzuschieben"! Und ich bin für mein Vertrauen belohnt worden.

Ich sitze hier im Wirt zum Hofbrunnen (oder so ähnlich) in Schwerstedt und erlebe das erste Mal thüringische Gastlichkeit. Der Gasthof ist gleich hinter der Kirche, und ein schöner, schattiger Weg führt dort hin. Es ist viel los, schon vor dem Tor eine Ansammlung von meist schwarz-weiß gekleideten Herren. Da ich einen – er bedient gerade ein Handy und schaut wichtig – für den (oder einen) Herren des Hauses halte, frage ich (es ist ja 9 Uhr), ob es ein Frühstück gebe.

Durch einen kleinen Hof, in dem ein mechanischer Gockel jeden Gast anmeldet, komme ich vor eine halbrunde, große Theke. Rechts sitzen ein paar muskulöse junge Männer in dunklen T-Shirts mit feschen, sportlichen Müützen auf dem Kopf und stieren mich an, als sei ich der Mann vom Mond. Ich nehme dieweil meinen Rucksack, so elegant und kraftvoll vom Rücken, wie es geht, man ist ja schließlich wer. Da kommt die Wirtin, und gleich weiß ich mich in guten Händen!

Nachdem ich meinen Wunsch nach einem Frühstück mit viel Saft ausgedrückt habe, bittet sie mich (mich Verschwitzten!) an einen Tisch mit Tischdecke! Und wie ich mich setze, wird schon wieder die Tischdecke vor mir nass, weil's tröpfelt. Ich bekomme reichlich Saft, Kaffee, Brötchen mit Käse und Marmelade, wie gewünscht, und beim Bezahlen noch einen Apfel und einen kleinen Snack. Ach, übrigens: Die schwarz-weiß Gekleideten waren irgenwelche Vertreter oder so, und zwei bekamen je eine Flasche Sekt, weil sie die besten waren.

Frisch gestärkt, aber eher ein wenig mühseliger, geht's nun weiter nach Stedten und von da Richtung Ettersburg am Fuße des Ettersberges.

Es geht durch weite Weizenfelder, nur in der Ferne sieht man leichte Bodenerhebungen. Ab Stedten ist der Weg auch recht deformiert, die Fahrrinnen sind mit grobem Schotter und Betonbruch aufgefüllt, nur der Mittelstreifen ist mit Gras bewachsen. Ohne große Mühe kommen Gedanken in den Kopf, wenn man so mit seiner kleinen Last gebeugt auf diesem Weg dahingeht. Gedanken an die vielen tausend Menschen, die vor mehr als sechzig Jahren hier in die Hoffnungslosigkeit getrieben worden sind.

Ich komme schließlich nach Ettersburg, frage nach Buchenwald und sehe auf einer Landstrasse recht bald, dass dies nicht der richtige Weg sein kann. Über ein kleines Brückchen finde ich zum Sportplatz des Ettersburger Fußballvereins, und an einem wird mir der Weg zu einer S[unlesbar]-Eiche gewiesen. Nach einigem Hin- und Hergelaufe entscheide ich mich für die Eiche, Eiche im Buchenwald, irgendwie wird's schon dann weitergehen.

Ein sehr schöner, mit dunklem Feinsplitt bedeckter schattiger Pfad, Buchen aller Art und heftiges Vogelgezwitscher. Und da sehe ich schon die Eiche! An einem kleinen Weiher, davor ein paar Bänke. Genau das, was ich mir für Mittagspause und E-Mailschreiben erträumt hatte.

Und da sitze ich nun und schreibe. Und als Nachspeise gibt's den Apfel von der netten Wirtin aus Schwerstedt.

Euer, im Augenblick wieder mit der Welt versöhnter
Siegfried

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