10
Juni
2008

Eisenach (4) (9. Juni)

Also,

jetzt hatte ich mich tatsächlich ein paar Stunden ins Bett gelegt und schon regt sich der Esel in mir und möchte mir weiß machen, das Essen, Rumgammeln und Nicht-Wandern wäre schöner als... Also morgen geht's weiter, ca. zehn Wandertage Richtung Marburg.

Jetzt aber sitze ich erst einmal wieder in meinem geliebten Biergarten vor dem "Gasthof Am Storchenturm" und... jetzt kommt die Soljanka. Dazu gibt's heute Abend Rotwein und Wasser.

Die Soljanka war gut. Jetzt geht's weiter:

Also dieses Haus, vor dem ich hier sitze, ist Teil der "Kemenate" von Eisenach, und ist auch Teil des späteren Hellgrevenhofes. Leute, die sich geschichtliche Zusammenhänge merken können (zu denen gehöre ich leider nicht), die wissen jetzt sofort: Aha! Sängerkrieg auf der Wartburg! Da soll er nämlich auch eine Rolle spielen und in Geschichten unserer großen Geschichtenerzähler. Aber vorher war die Kemenate da, und dann ist erst Eisenach entstanden, so um 1150.

Das also war die Geschichte. Und in dieser Tradition, so habe ich den Eindruck, wird auch jetzt das Haus geführt: Nette, zuvorkommende Bedienungen, einfaches, aber schmackhaftes Essen zu vernünftigen Preisen und eine Wandererherberge mit Zimmern bis zu 6 Betten. Nur leider muss man halt schauen, dass man reinkommt – also am besten: sich anmeldet. Das ist, wenn man nicht in Hotels nächtigen will ("Pilgersleute" wie ich sollten dies ja normalerweise weniger tun), immer ratsam, und so werd's ich ab morgen auch wieder halten.

Nur eine Erfahrung muss man machen, und das erfuhr auch meine "Hessin": Wenn ein Anfufbeantworter dran ist wird's happig! Die Zeit verrinnt, man kommt dem Ziel immer näher und weiß dann nicht wo man unterkommt.

Sicherlich erinnert Ihr Euch noch an mein gestriges Erlebnis mit der Stempelbitte beim Pfarrer der katholischen Stadtkirche. Heute habe ich dafür von einem sehr freundlichen Mann in der St. Georgen-Kirche (ja die, in der Elisabeth mit Landgraf Ludwig IV getraut und Bach getauft wurde) einen wunderschönen Stempel bekommen, den er dazu noch extra aus dem Büro geholt hatte. Hätte ich den katholischen Stempel bekommen, wäre mir dieser sicher entgangen.

Erfahrung mit Stempeln: Bei kath. Pfarrern zweimal bei zweimal fragen: nichts! Haben die ein gespaltenes Verhältnis zum ökumenischen Jakobsweg (bzw. hier: Elisabethweg) oder zum Pilgern? Oder sind sie einfach zu bequem? Oder brauchen sie wirklich eine "Berechtigung", wie der Pfarrer von Meuselwitz sagte? Wie verhalten sie sich, wenn einer nicht nur einen Stempel will, sondern vielleicht einen Schluck Wasser oder ein gutes Wort?

Da der Pfarrer grade gestern wichtig(-tuerisch) über das Verhalten andersartiger Menschen (zu denen ich mich in der Zwischenzeit rechne, wenn ich inmitten einer sonntäglich gewandeten, angeregt schwätzenden, mich ausgrenzenden Gläubigenschar stehe) gegenüber gepredigt hatte, mich dann aber hat stehen lassen, macht mich doch nachdenklich und zeigt mir wie schwach wir Menschen doch sind.

Habe doch auch ich Handlungen und Verhalten in meiner Vergangenheit zu bedauern, durch die ich Menschen verletzt und Vertrauen nicht gerechtfertigt habe. So bekommt vielleicht dieser "Pilgerweg", den ich immer noch in Anführungszeichen setze, langsam einen Sinn: Dank für das wunderschöne glückliche Leben mit Yvona und meinen Kindern und Dank für die vielen guten Freunde, die uns im Leben begleitet haben und immer noch begleiten. Und die Bitte, dass denen, die ich enttäuscht und denen ich Unrecht getan habe, kein Schaden dadurch entstanden sein möge, sondern auch ein Teil meines Glückes gewährt sein möge.

Ihr seht, so ein zusätzlicher Ruhetag macht nachdenklich. Und wie bei vielen anderen Erlebnissen der letzten vierzehn Tage, fühle ich immer mehr auch, dass diese Wanderung eine Richtung bekommt, die ich nicht beeinflussen kann und will, sei es vom äußeren Ablauf her, sei es auch in den Gedanken.

Mir war es wichtig, dies zu dokumentieren und Euch teilnehmen zu lassen – auch in dem Wissen, dass sich manche darüber aufregen werden. (Missbrauch, Datenschutz usw. Was sind wir doch armselig und misstrauisch geworden!)

Euer
Siegfried

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