23
Juni
2008

Stadtallendorf (20. Juni), Marburg (21./22. Juni)

Ja, Ihr Lieben,

den Weg von Stadtallendorf nach Marburg habe ich noch nicht beschrieben, und es wäre schade, wenn ich davon was vergessen würde.

Das Hotel, der "Klosterhof", hat ja seinen eigenen Reiz. Schon das Einchecken am Vorabend, arrangiert durch die beiden lustigen Mädchen, die mich beim Weißbier auf das Zimmer bzw. auf die Zusage, ob ich ein Zimmer bekommen könnte, mit lustigen Sprüchen warten ließen, hatte einen schon exotischen Reiz.

Beim Frühstück stellte sich dann heraus, dass außer mir nur noch ein Gast im Hause war. Wir unterhielten uns. Er stellt Industrieroboter ein, Stadtallendorf ist ja der Sitz großer Industriebetriebe. Und das kommt daher, dass im letzten Krieg hier zwei Sprengstoffwerke gegründet worden sind, vermutlich die größten in Europa, und wegen der dadurch entstandene Infrastruktur auch nach dem Krieg viele Industriebetriebe hier ansiedelten, vorwiegend Autozulieferindustrie. Allendorf wuchs von 1500 Einwohnern vor dem Krieg auf 24000 Einwohnern jetzt und wurde Stadtallendorf. Also, mein Mitfrühstücker richtet Industrieroboter ein, die Teile von Gussmaschienen sind, mit denen zum Beispiel Getriebeblöcke hergestellt werden.

Da ich in der Zwischenzeit ja auch was von Robotern verstehe (ich bin allerdings mehr auf Melkroboter spezialisiert), hatten wir viel fachzusimpeln. Er gab übrigens zu, dass Melkroboter besonders anspruchsvoll seien, weil das Tier sich ja bewege. Er brachte auch einen Gesichtspunkt vor, den ich noch gar nicht bedacht hatte: Die verschiedene Eutergröße und sonstige individuelle Eigenschaften jedes einzelnen Tieres. Er meinte, jedes Tier müsse als Individuum vom Roboter erkannt werden. Und da erinnerte ich mich, ja das tut er, und jedes Tier hat in diesem Stall sogar einen Namen!

Jedes Frühstück geht einmal zu Ende und bei mir ein wenig später. Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass wenn ich gehen würde, niemand mehr im Haus sei. Ich solle den Schlüssel stecken lassen und den Seitenausgang benutzen. Das ist Vertrauen!

Nun gings wieder weiter über Langenstein, einem Ort, der seinen Namen von einem riesigen, früher noch größeren Menhir hat. Er stammt aus der Zeit der Megalithkultur, ist also in Urzeiten aufgerichtet worden und markierte vermutlich eine Gerichtsstätte. Einer Sage nach soll hier der heilige Bonifatius einst eine Kapelle errichtet haben.

Der heilige Bonifatius ist mir auch noch auf Amöneburg begegnet. Diese nur noch in Ruinenfragmenten erhaltene Burg liegt auf einem weithin sichtbaren Berg, ich hatte ihn schon weit vor Stadtallendorf gesehen, es ist ein Basaltkegel.

Der Jakobsweg lässt generell so Sachen nicht aus, auch wenn damit große Umwege verbunden sind. Es war sehr verlockend, Amöneburg auszulassen und ein paar Kilometer rauf bzw. Runter zu sparen. Aber nachdem ich im Führer gelesen hatte, dass hier Bonifatius ein Kloster gegründet hatte und von hier aus sein Missionswerk, die Bekehrung der Germanen zum christlichen Glauben begonnen hatte (sonst wärt Ihr jetzt alle möglicherweise noch Heiden), wollte ich diesen Ort doch besuchen.

Es geht natürlich wieder lange hinauf, aber oben gibt's im Stadtzentrum dafür erst einmal Kuchen und eine Tasse Kaffee. Viel ist aus der Zeit von Bonifatius nicht mehr zu sehen, selbst das, was von weitem so eine beeindruckende Silhuette gebildet hat, stammt aus jüngerer oder der Jetztzeit. Es gibt noch alte Mauerreste und eine gewaltige Ringmauer, die Befestigung in gotischer Zeit, vor der man vorüberzieht, wenn man weitergeht. Trotzdem war es ein Erlebnis an so einem Ort gewesen zu sein. Leicht ist nachzuvollziehen, wie vor uralter Zeit sich hier die Menschen trafen, weil, inmitten von Urwäldern, dies der einzige markante Punkt war.

Nun sehe ich von weitem schon die Lahnberge. Ich weiß, dahinter liegt Marburg. Also muss ich auch da noch drüber. Am Fuß der Lahnberge gibt es einen Brunnen, den Elisabethbrunnen, und der Jakobspfad führt daran natürch vorbei. Es ist eine tempelartige Fassade aus Sandstein vor der Felswand errichtet und in einer Nische plätschert die Quelle.

Da im Führer steht, dass auch heute dem Wasser noch besondere Heilkraft nachgesagt wird, wollte ich mich auch bedienen. Aber! Es ist kein Trinkwasser. Der Sage nach hat die hl. Elisabeth hier einst ja auch nur ihre Wäsche gewaschen und sie an den Sonnenstrahlen zumTrocknen aufgehängt!

Weiter geht's hoch auf die Lahnbergehöhe. Hier steht ein Hinweisschild: Zur "Heiligen Eiche" und zur "Elisabethtrappe".

Die Eiche habe ich gesehen: eine riesige Baumruine, teiweise skuril ausgehöhlt, der Durchmesser sicher mehr als zwei Meter. Bei der Eiche gibt es auch zwei (2!) Wegweiser zur Elisabethtrappe. Es soll ein Baum sein in den sich die Fußabdrücke der hl. Elisabeth eingedrückten, als sie sich und ihr Hündchen vor einem gefährlichen Wolf auf den Baum rettete. Ich ging, obwohl es schon spät war und ich noch kein Quartier hatte, den angezeigten Weg hinein. Eine Wegkreuzung, vier Wege führen weiter – welcher ist der richtige? Und natürlich weit und breit keine Markierung. Ich gab's auf und begann schleunigst den Abstieg nach Marburg.

Übrigens, die Koordinaten der Elisabethtrappe habe ich auf einer Hinweistafel in der Nähe einer Bushaltestelle gesehen, ist doch logisch, dass man da keinen Wegweiser mehr braucht.

Müde!
Siegfried

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