Weilburg (25. Juni)
Hallo,
es ist sechs Uhr nachmittags und ich liege seit etwa drei Stunden auf dem Bett und strecke meine Füße aus. Möchte bemerken, dass das das erste Mal auf dieser Reise ist!
Draußen regnet es immer wieder schlagregenartig, und ich bin in einer interessanten Stadt von der ich nichts sehe.
Kennengelernt habe ich hier in Weilburg außer einem Mann, der mir den Weg zur Altstadt wies (da gibt's keinen Wegweiser, nur zum Friedhof, zum Schiffstunnelhotel, usw.): die Pfarrsekretärin von Heilig Kreuz, zu der ich wegen eines Stempels reingegangen bin, und die mich redegewaltig informiert hat, dass heute Deutschland gegen die Türkei spielt und ich mir das unbedingt anschauen müsse. Ich hab sie auch wegen einer günstigen Übernachtungsmöglichkeit gefragt und sie hat mir das hier an der Einfahrtstraße empfohlen. Leider sind die Übernachtungskosten höher als mein Standard, so muss ich wohl heute etwas mehr beim Essen sparen.
Ja, und da hab ich noch zwei lästige Gäste im Zimmer, ziemlich wepsige Fliegen, die auch noch aggressiv summen. Eine hab ich erwischt, die liegt jetzt am Boden, die andere regt mich so auf, dass ich schon ein paar blaue Flecken habe.
Im Wald sind heute ständig so kleine Fliegen vor meinen Augen rumgeflogen, manchmal kann ich sie wegblasen, manchmal schlage ich danach und einmal habe ich dabei meine Nase erwischt. Das spüre ich jetzt noch.
Damit ich doch noch was von Weilburg sehe, hab ich mich natürlich um 6.00h in Schale geworfen und mich zur Altstadt aufgemacht. Für die Unwissenden unter Euch: Weilburg liegt in einer Lahnschleife, das heißt (weil die Hessen konsequent sind): Weilburg ist praktisch von allen Seiten von der Lahn umschlossen, und man kommt nur durch einen schmalen Schlauch in die alte Innenstadt. Und da sind alte Häuser, nicht so alt wie ich sie woanders schon gesehen habe, aber dafür ein wunderbarer Barock/Renaissancegarten, Rathaus und Schloßkirche in einem Gebäude, schon seit 1700 und noch was. Auffallend: Am Hauptplatz gibt's zwei Apotheken. Die wussten anscheinend, dass ich Blasenpflaster brauche. Ich hoffe, dass es die von mir nicht besuchte verschmerzt, dieses große Geschäft nicht gemacht zu haben.
Nach ausgiebiger Besichtigung der Barock- und Renaissancegärten und einem Spaziergang durch die ausgestorbene Altstadt – Fußball? – landete ich schließlich im "Bürgerhof" und genoß zwei Weißbier, eine Kraftbrühe, einen Frankfurter Hackbraten und natürlich einen Espresso.
Am Nachbartisch sitzen drei Männer, und einer redet ständig und irgendwie ist der Oberredner sozial engagiert bei der Charitas, beim Fußballverein etc., und grade geht's ums Flutlicht: "Kost 75.000 EUR, und ich will, dass da untertags die Jungen kommen und abends die Senioren und die ganz Alten, die sagen 'wir haben das als ganz anners gemacht'".
Da sitzen also beim Bier ein paar Manager der Caritas oder so und beratschlagen aktivistisch wie sie was Gutes anleiern können, damit andere das Gute tun. Die heilige Elisabeth hat halt selber zugegriffen!
Gesättigt bin ich zum Hotel zurück gebummelt. Dabei wollte ich auch die Lahnschleife sehen, die die Stadt umschließt. Leider nicht zu sehen: Auf der Seite auf der sie von der Stadt wegfließt kann man sie tief unter der Stadt zwischen hohen bewaldeten, zum Teil felsigen Hängen glitzern sehen, an der anderen Seite ist sie nur ein kurzes Stück, dunkel zu sehen. Auf der Karte erkennt man den Grund: da verschwindet die Lahn unter Zufahrtsstraßen. Ist das vielleicht der berühmte Schiffahrtstunnel? Trotzdem, ich finde das schade. Jetzt ist ein großes Hupkonzert auf der Straße: Deutschland hat in einem, auch für mich, spannendem Spiel gewonnen.
Ich wünsch Euch allen eine gute Nacht!
Morgen möchte ich nicht, wie im Führer vorgeschlagen, den Lahnhöhenweg gehen, sondern im Lahntal auf dem Fahrradweg wandern, um meine Glieder und Muskeln ein bißchen zu schonen. Heute hat mich der Weg hierher sehr angestrengt. Es ging schon am Morgen mehr als eine Stunde lang aufwärts. Vielleicht habe ich mich auch die letzten Tage übernommen. Also ein bißchen langsamer, alter Herr!
Siegfried