02
Aug.
2008

Essoyes (31. Juli)

Der heutige Tag begann wenig spektakulär auf der Landstraße, die am Hotel vorbeiführte. Ich ging nochmal die lange Mauer der Abtei Clairvaux entlang und dann mehr als eine Stunde bergaufwärts. Es ging als Zwischenstation nach Champignol. Ein Name der viele Erwartungen auslöst: "Champignon, Champagner".

Aber kurz vor Champignol kam ich erst an einer chapelle romane vorbei, auf die besonders hingewiesen wurde, und die auf einem Hügel zwischen alten Bäumen steht. Es ist eine romanische Kapelle mit einem großen Vorraum, dessen Fußboden mit einem wunderschönen Belag aus stehenden gebrochenen weißen Schieferplatten gepflastert ist. Allein dieses Pflaster war es wert, den Hügel hinaufzugehen.

In die Kapelle konnte man nicht hinein, aber durch ein kleines, vergittertes Guckloch hineinsehen. Ich hatte es erst gar nicht gesehen, weil es so weit unten ist, dass auch Kinder durchsehen können. Entsprechend anstrengend ist's dann für einen steifen Siebziger.

So einen Vorraum wie den vor der Kapelle hätte ich mir mal zum Übernachten gewünscht!

Auf einem Bankerl in der Höhe mit weitem Blick ins Land, das jetzt wieder anders wird, kleinförmiger, hügeliger. Und ab und zu sieht man tiefgrüne Weinberge zwischen den gelben und hellbraunen Feldern.

In Champignol komme ich an einer "Bar" vorbei und kann nicht widerstehen: Ich genieße ein Viertel bière pressure, also ein schönes Kühles vom Fass. Das Schlimme daran ist, dass das Wiederaufstehen und Weiterlaufen anschließend besonders schwer fällt.

Ich komme jetzt wirklich in die "Wein-"Champagne, die Weinberge werden immer mehr, und Hinweistafeln auf die "Route de Champagne" weisen selbst einen Unbedarften wie mich darauf hin.

Auch die Orte verändern sich. Statt den großen Gehöften gibt es jetzt wieder kleinere, zusammengebaute Einheiten. Auf einer Anhöhe, zehn Kilometer vor Essoyes, sehe ich das erste Mal eines der Cadole, der alten Schutzhütten für die Winzer. Die weißen Schieferplatten, dies hier gibt, sind kreisförmig aufeinander geschichtet und zwar nach oben immer enger werdend, an einen Bienenkorb erinnernd, so dass sie sich schließiich oben zu einem Dach schließen. Der Eingang und der Rauchabzug ist immer nach Osten, also der windabgewandten Seite zugewandt. Dadurch brauchten sie keine Türen und der Rauch zog auch schön ab.

In der Nähe dieses Cadole war auch eine schöne Hinweistafel, auf der zu sehen war, wohin ich heute (den Ort konnte man auch in Natura schon sehen, und er war noch ganz schön weit weg) und wohin ich morgen gehen müsste, da sah man nur einen hohen Funkmast: Die Entfernung kommt einem dabei fast unerreichbar vor! Manchmal ist es doch besser, das Ziel nicht zu früh zu sehen.

Bis jetzt war ich auf Landstraßen gelaufen, jetzt ging's wieder über einen breit ausgebauten Wanderweg, eine Sandstraße. Natürlich war ich wieder mal im Zweifel und lief ein paar hundert Meter zurück, weil der Weg anders, als ich's aus der Karte las, verlief. Aber ein Bauer, der gerade mit einem riesigen Pflug (ich glaub, so acht Pflugscharen nebeneinander) vorbeikam, beruhigte mich und sagte, ich solle nur immer dem Weg nachgehen. Natürlich sagte er es nicht so, sondern mit vielen französischen Worten und Gesten, und ich reimte mir daraus was zusammen und hoffte, dass es stimmte. Es war ja schon in Deutschland schwer, nach Wegbeschreibungen zu gehen. Denn eine einzige Fehldeutung an einer Weggabelung führt unweigerlich in die Irre. Gottseidank gab es wieder Markierungen, und die halfen mir dann bei Zweifelsfällen weiter.

Endlich kam Essoyes in Sicht, und bald war ich in der Stadt. Malerische kleine Häuser aus dem hellen Naturstein, zum Teil ohne Mörtel errichtet (Trockenmauerwerk) und auch zum Teil Fachwerkhäuser, das Fachwerk aber enger gegliedert als bei uns. Das ist so ähnlich wie bei den Dächern. Die Franzosen legen die Sparren viel enger, legen die Pfetten außerdem schräg.

Essoyes ist die Stadt des bekannten Malers Auguste Rodin, und das macht sich in der Stadt auch bemerkbar. Plakate, Hinweise und eine Anzahl Maler, die auf ihre Werke und Ausstellungen aufmerksam machen. Man könnte auch das Atelier Auguste Rodins besichtigen, aber was könnte ein einsamer Pilger wie ich nicht alles!

Von der örtlichen Information wurde mir ein Zimmer vermittelt bei einer älteren Dame, die ein Haus mit "Gîtes de France" bewirtschaftete. Es war auch noch ein älteres französisches Ehepaar mit im Haus und beim Frühstück wurde fest geratscht, so gut es ging, und es stellte sich heraus, dass sie aus Südfrankreich sind, und der Mann am gleichen Tag wie ich geboren ist, nur 12 Jahre früher.

Die Hauswirtin hatte mir am Vorabend schon gesagt, dass in Les Riceys, meiner nächsten Station, am Wochenende Champagnerfest ist, und deshalb schwer ein Quartier zu bekommen sei, und dort angerufen und für mich was reserviert. Ich solle mich nur in der "Mairie", dem Rathaus, melden.

Ich ging mal wieder fein essen (wieder beim Italiener) und schlief in dem vornehmen Haus gut, bis ein lautstarkes Gewitter mit prasselndem Regen mich an meine Nacht im Freien erinnerte. Ich drehte mich wohlig um und genoss das trockene Bett. So gut geht's mir allerdings meistens, drum werd ich langsam wieder optimistischer.

BEREICHTIGUNG: ES GEHT NICHT UM RODIN SONDERN UM RENOIR!!!

Siegfried

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