Burgos (1. Oktober)
Die ersten sind heute früh schon wieder um sieben Uhr losgezogen, da wars noch stockdunkel. Frühstück gabs weder in der Herberge noch im kleinen Örtchen. Die nächste Frühstücksmöglichkeit ist im 5km entfernten nächsten Ort.
Ich war so gegen 8.00 startbereit, die Sonne war noch nicht sichtbar, aber sie beleuchtete die Kirche beim Weggehen von hinten, denn der Weg führt nach Westen. Ich war allein unterwegs. Es ging wieder an niedrigen Fichten und Eichenwäldern vorbei, dazwischen Felder, einmal durch eine Kuhherde durch, die wiederkäuend mit ihren Kälbern auf der Weide und auf dem Weg stand und lag.
Nach einer Stunde einsamen Gehens ein Dorf: ..... Eine Bar und Alimentacion, da es die einzige zu sein scheint und auch so was wie Obst vor der Türe steht gehe ich hin und schaue. Von innen ertönt der Ruf: Rucksack draussen lassen! In welcher Sprache weiß ich nicht mehr. Der Besitzer des Etablissements war jedefalls Flam und sprach sehr gut deutsch und drinnen saß: Monika, die Südtirolerin, die ich in Honto kennen gelernt hatte. Ihr seinerzeitiger Begleiter ist schon weiter, sie hat Probleme mit den Fersen. Nach einem ausgiebigen Frühstück gehen wir gemeinsam weiter. Bei ihr geht's recht langsam, die Füße tun weh, sie wird wohl den Bus nach Burgos nehmen und dann einen Tag Pause machen.
Wieder über Berghöhen, mit kargem Bewuchs, einem Gipfelkreuz und agressiven Fliegen wie Stierkämpfern – Termino de Atapuerca ist der höchste Punkt, 1060m – geht's wieder runter, wieder weite Felder und nur leicht hügelige Landschaft.
Bald merkt man, dass man sich einer Großstadt nähert. Schließlich kommt der Punkt, wo der Camino zwei Varianten anbietet. Eine längere, aber schönere (vielleicht), eine kürzere, aber durchs Industriegebiet führende. Ich wähle die zweite, will wieder mal zwischen Verkehr, Lärm, Maschinenhallen und Einkaufszentren "meditieren".
Hab nur nicht drangedacht, dass es da keine stillen Ecken für alte Männer gibt, finde aber an einem noch nicht ganz fertigen Kreisverkehr ein bisschen Natur für meine Zwecke, von hinten seh ich sie, die Kreisverkehrler nicht – c'est la vie – und ich bin bereit für die Eroberung von Burgos.
Mein "Engel" Nicole hat mir telefonisch die Herberge genannt, gleich hinter der Kathedrale und ich laufe und laufe und frage 2x, richtig spanisch! Um ja nicht daran vorbei zu laufen.
Schließlich ein reich verziertes gotisches Haus, um sagen zu können wie es heißt, müßte ich meine Bilder ansehen und recherchieren, weil ich's mir nicht aufgeschrieben habe, aber ich sitz hier inzwischen aufm Bankerl am Fluß um 11.h am Morgen schon seit zwei Stunden und hab Karten geschrieben und kitzle das Gerät, dass es das Euch zusendet. Die Anderen sind schon über alle Berge!
Siegfried
Burgos am Morgen, 2. Oktober: Ich sitz immer noch aufm Bankerl und die Holzkanten drücken meinen abgemagerten Hintern und kalt geht's inzwischen auch durch, allerdings ist's nicht mehr so kalt wie in den letzten Tagen. Hab die gekürzte Hose an, Unterhemd, T-Shirt, leichten Cashmere-Pulli und Regenjacke gegen den Wind, kurz noch von gestern: Platz vor der Kathedrale erreicht – "Hallo Siegfried", begrüßt mich ein Engländer, der schon aufm Bankerl sitzt und weist mir den Weg zum Albergo, dann zwei Franzosen, ich fühle mich daheim.
Das Albergo ist ganz neu, von der Diözese und gleich hinter der Kathedrale. Abends gehen wir vier zum essen, auf meine Anregung hin mal echt spanisch, ich kann die Pilgermenüs nicht mehr sehen.
Wir essen gemeinsam 5 verschiedene Platten mit Tintenfisch, Pilzen, Fleisch, Gemüse und trinken Wein. Es war gut und schön, der letzte Abend mit Nicole und Susanne. Nicole muß heim, Susanne muß Pause machen, ihre Füße schmerzen. Ich werde Alessandro anvertraut und am nächsten Morgen, also heute, nach einem gemeinsamen Frühstück und einem rührenden Abschied sitze ich hier allein aufm Bankerl...
Siegfried