Castrojeriz (3. Oktober)
Bin seit drei Uhr hier! Schööön! Bin geduscht, muß aber noch Wäsche waschen.
Siegfried
Ich lieg schon wieder im Bett, es ist noch nicht ganz 10.00h.
Mit Susanne und Alex war ich im Restaurant um das Pilgermenü zu genießen. Wir waren etwas später dran als die anderen und so sollten wir vor der Türe warten bis ein Tisch frei werden würde. Die Franzosen und Engländer, die an einem langen Tisch schon zu speisen begonnen hatten, boten uns die noch drei freien Plätze an. Der Wirt war dagegen, er kann uns nicht dazwischen bedienen, erst kämen die georderten Essen, dann kämen wir dran. Lex setzte sich für unser Verbleiben im Raum ein, die Franzosen zogen demonstrativ die Stühle vom Tisch. Heiße Wortgefechte – in spanisch –, bissige Blicke des Wirtes, der dazwischen immer wieder mit ein paar Tellern zwischen uns, wir standen ihm natürlich im engen Durchgang zwischen den Tischen im Weg, Alex versicherte uns immer wieder, wenn der Wirt nicht zustimmte, dürften wir uns nicht setzen: Schließlich durften wir. Die Franzosen boten uns vom Brot und Wein an, Alex sagte, das verstoße gegen die Regeln und wollte zunächst nichts, schließlich hatte auch er ein Glas Wein von den Franzosen, ich hatte natürlich auch mein Brot, Regeln hin oder her.
Ich war im Gegensatz zu Alex allerdings nicht ausgesprochen hungrig. Mein Frühstück mit selbstgemachtem Milchkaffee – Eigenentwicklung: Heiße Milch, Nescafé rein, mit Zucker oder Honig süßen, schmeckt wirklich gut, und so hab ich auch allerhand Gutes im Körper, dazu gab's natürlich Brot mit Köse, Wurst und Honig.
Viele andere, darunter auch Alex, sind schon vor acht in der Dunkelheit und Kälte losgerannt und haben erst im nächsten, ca 10km entfernten Ort etwas in der Bar getrunken oder gegessen, sie sind dann am Abend entsprechend ausgehungert. Ich konnte natürlich auch nicht an ein paar wunderschön vollen Brombeersträuchern vorbei gehen, aß mich da um die Mittagszeit voll und pflückte auch ein paar Handvoll in eine Tüte. Mit zwei Joghurt waren sie mein Nachmittagskuchen.
Hontanas – wo ich manche traf, die vor mir weggegangen sind, weil sie da vor der Bar saßen – liegt in einem Talkessel inmitten grüner Bäume. Nachdem vorher der Weg über eine flache, sehr große Hochebene führte, ringsum sah man nur abgeerntete Getreidefelder, dazwischen Steinhügel.
Ich stellte mir vor, die "Pilger", die zu viel Kraft hätten, türmten diese kleinen Hügel auf, wie sie's sonst mit den kleinen Steinen machen. Allerdings irritierte mich, dass die Hügel meist weit weg vom Camino lagen. Ich kam zu dem Schluß, und das dürfte wohl auch so sein, dass die Bauern die beim Pflügen freiwerdenden Steine aufsammeln und zusammentragen.
In Hontanas fragte ich – ein sonderbarer Pilger – eine mir bekannte Kanadierin, ob die Kirche offen sei, die Bar war ja unmittelbar vor der Kirche, sie schaute mich verständnislos an, ich vermute, sie hatte in der Eile des Rennpilgerns gar nicht gemerkt, dass sie vor einer Kirche stand. Aber die Kirche war offen.