05
Okt.
2008

Frómista (4. Oktober)

Hallo all Ihr Lieben!

Ihr müßt Euch das so vorstellen: Ich sitz hier auf einem Steinbankerl in der Sonne vor dem Friedhof von Ravenga de Campos (heute, am 5. Oktober vormittags). Die Pilgernachzügler, die es tatsächlich fertig bringen, noch später los zu gehen als ich, ziehen, schnaufend, hinkend, rennend, die junge Brasilianerin mit ihrem Freund ein Kreuzzeichen machend, dabei ihre Hand küssend, vorbei.

Ich sitze im Anorak da mit kaltem Hintern. Hab schon fast meine ganze Winterbekleidung an, Unterhemd, zwei Trikots, Cashmere-Pulli und Anorak, hab zur Steigerung des Wärmegefühls nur noch ein Unterhemd und zwei Unterhosen. Die sonst kurz getragene Hose habe ich wieder um eine Beineinheit verlängert.

Vorgestern Castrojeriz war eine sehr schöne Stadt am Rande eines kegelartigen Berges, der mitten in der Meseta, wie einige andere auch, aufragt. Oben ist eine Burgruine. Die Herberge ist mitten in der zwangsläufig langgestreckten Stadt, neu und sehr geräumig. Sie wird von Argentiniern betreut und das eingenommene Geld wird für soziale Projekte in Indien und Südamerika verwendet. Es waren ein paar junge Leute, Spanier oder Argentinier, die als Missionare in Südamerika wirkten und die zugleich den Camino fördern wollten. Die zwei Initiatoren sind vor einigen Jahren bei einem Zugunglück ums Leben gekommen, sie sind hier offenbar sehr populär.

Da ich auch die Kirche ansehen wollte, besuchte ich zwangsläufig auch die Ausstellung. Große Wandteppiche – Arithmetic, Musica, Poesie usw. darstellend –, kirchliche, sehr wertvolle Kultgegenstände und Holzplastiken, auch sehr schöne alte Gemälde, die an die Malweise der Holländer (Breughel) erinnern.

Mein Erzengel Axel war derweilen auf den Berg zur Burgruine gegangen und er schwärmte von der schönen Aussicht auf die Landschaft, die ich den ganzen Tag bundert hatte.

Nach einem weiteren Tag Wanderung durch die Meseta sind wir dann gestern in Frómista angekommen. Ein kleines Städtchen mit drei wunderbaren Kirchen, die sowohl von außen wie von innen aufregend sind. Ich hab viel fotografiert und beschreibe jetzt nichts.

Abends waren wir in einem kleinen Restaurant essen, das kanadische Ehepaar, mit Michel hatte ich vorher an der Bar Wein – er Bier – getrunken, und Tapas gegessen. Dabei erfuhr ich, dass seine quirlige kleine, zierliche Frau Diplomatin war und unter anderem in Saudi-Arabien und Washington DC wirkte. Er ist ein wuchtiger großer Typ und entspricht eher dem Bild eines Amerikaners, wie wir ihn uns vorstellen. Er verriet mir auch, dass es ihm im Bett recht kalt wäre und er sich deshalb diese Nacht zu seiner Frau kuscheln wolle. Ich sah beide heute früh wieder. Sie lebte Gott sei Dank noch.

Jetzt bin ich also auf dem Weg nach Carrión de los Condes, und hab es auch wieder geschafft, der Letzte zu sein. Aber es sind nur noch 11km, knappe drei Stunden. Die Glocke schlägt 12!

Buon camino

Siegfried

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