Hinter Calvor (17. Oktober)
Eine sehr schöne Herberge, ich komme mir vor wie in der Sommerfrische. Alles erdgeschossig. Zimmer mit 4 Doppelstockbetten, zwei Duschen und zwei WC. Wenn man schon in Herbergen mit 100 Betten und vier Duschen geschlafen hat, ist das hier wie im First-Class-Hotel.
Aber gestern in Fonfria wars auch sehr schön. War fast wie eine große Berghütte und Francis eilte gleich in den Schlafsaal um mir ein Bett zu belegen als ich ankam.
Dort haben wir auch eine der besten Suppen gegessen, wie wir's von Zuhause auch kennen: Gemüse, Kartoffeln, und große Fleischstücke. Nach vielen Stunden Wandern im Regen und in einer Höhe von 1000 Metern (Col de l'Alto do Poio = 1337m!) tut das sehr gut und ich aß drei Teller voll! Als zweiten Gang gab's Maccaroni mit Tomatensoße, als Nachspeise einen ganz feinen Mandelkuchen. Da hätte ich auch leicht drei Stücke vertragen, aber davon gabs nur eins.
Ich hab übrigens nie gedacht, dass es so viele hohe Ebenen in Spanien gibt! Aber Erdkunde! ... Aber das wissen vielleicht andere auch nicht.
Losgegangen mit dem Hochsteigen ist es nach Villafranca, aber auch in Rabanal waren wir schon um die 1000m hoch. Ich kann das jetzt leider nicht recherchieren, denn jetzt um 21.18h lieg ich schon wieder im Bett im abgedunkelten Zimmer.
Ich kenn mich nicht mehr aus! Lauter erwachsene Leute und die schlafen von 9 bis 7, um dann um spätestens acht losrennen zu können.
Heute haben wir zum Abschluß des Diners einen Schnaps bekommen, eine Art spanischen Grappa: Aqua de feu oder so ähnlich, was auf gut deutsch Feuerwasser heißt. Ich hab mein Glas gleich leer gehabt, war ja ziemlich klein, was die Franzosen zu der Bemerkung hinreißen eß, da sähe man, ich käme vom Osten. Am zweiten Glas nippte ich dann genüßlich "stundenlang" wie es die Franzosen tun. Man lernt ja schließlich dazu.
Heute hatte ich vorsichtshalber die Regenhose den ganzen Tag an. Dafür regnete es nicht. Es ging ein paar Mal lange steil aufwärts, dann wieder abwärts. Wir kamen durch sehr kleine Dörfer mit malerischen, aber düsteren Natursteinhäusern. Die Straßen mit Natursteinen in freien Formen gepflastert. Die Straßen aber auch mit frischen Kuhfladen garniert. Da muß man balancieren und aufpassen, dass man nicht hinfällt, wäre ja attraktiv, abends grün-bräunlich in der Herberge anzukommen.
Mit Regenhose, Regenjacke, Unterhemd, Trikot, Pulli sind natürlich auch ganz alltägliche Dinge aufregend.
Dann sichert man nach vorne und hört nach hinten und lockert den Hüftgurt und zieht den Reißverschluß der Regenjacke auf und zieht die Regenhose, so weits geht nach unten und sucht den Reißverschlußöffner der Wanderhose und dann sucht man die unteren Enden der diversen Trikots und des Unterhemdes und das obere Ende der Unterhose und wenn alles beiseite geräumt ist, sucht man ein kleines Ding, das völlig ungeduldig darauf wartet was von sich geben zu dürfen, was dann nicht der Rede wert ist. Und wenn dann alles wieder verstaut ist, alle Reißverschlüsse geschlossen und man sich erleichtert wieder dem Weg zuwendet, sieht man eine junge Pilgerin meditierend oder verständnisvoll lächelnd den Jakobsweg herkommen. Ja, der Prüfungen gibt es viele. Aber denen kommt Mann nicht aus.
Heute bin ich nun in einer besonders feudalen Herberge gelandet. Wollte eigentlich nach Calvor weitergehen und kam an dieser sehr modernen Herberge vorbei – und was sah ich?
Meine Freunde saßen da in Liegestühlen, die Wäsche gewaschen an der Leine. Also das war mein Platz.
Später erfuhr ich, dass wir an Calvor schon vorbei seien. Hatte mal wieder was übersehen. Aber in diesem Fall war es gut. Jetzt liege ich in einem Zimmer mit 4 Doppelbetten, wovon bloß die Hälfte belegt sind. Es wird eine ruhige und angenehme Nacht werden. Das erste Mal haben wir hier Überzüge für die Kopfkissen, die man frisch gewaschen drüberzieht, d.h. man kann sich unbeschwert ins Kopfkissen kuscheln.
Die seit der galizischen Grenze alle 1/2 km am Weg stehenden Kilometersteine zeigen, dass es nur noch 113km nach Santiago sind. Ich zähle die Tage und freue mich aufs Heimkommen!
Euer, ein wenig Heimweh verspürender Siegfried