Thusis
Liebe Leute, ich mach was durch. Ihr merkt es daran, dass ich schon lange nichts mehr geschrieben habe. Ich hatte abends einfach keine Kraft, Muse und Zeit mehr. Jetzt muss ich selbst mal überlegen: Dornbirn hatte ich noch geschrieben, und heute erst Euch zum Lesen präsentiert. Und jetzt sitz ich in Thusis in der Pizzeria Bernina bei 28° und warte auf mein einziges Essen außer dem Frühstück. Also nach Dornbirn ging ich nach Rankweil, nach dem ausgedehnten bergigen Marsch vom Tag vorher bin ich schön im breiten Rheintal gewandert. Auch die Herberge, ein Hotel hatte ich, auch ich werde aus Erfahrung manchmal klug, schon vor dem Weggehen gebucht. So war das ein relatv stressloser Tag. Aber heiß, und offenbar setzt mir die Hitze doch zu, auch wenn ich mich wohl fühle. Nach der Duschorgie am Nachmittag bin ich einfach hin. Rankweil ist ein kleiner ruhiger Ort mit einer Kirche hoch auf einem -kleinen - Berg, sie überragt also stolz das kleine Städtchen und von oben hat man einen weiten Blick in die Rheinebene. Ich genoss das um 9.°° abends beim Sonnenuntergang. Gut ausgeruht, gestärkt und voller Energie begann ich den nächsten Tag. Es soll ins Fürstentum Liechtenstein gehen. Auf meiner Karte 1:200000 war ein Höhenweg dorthin eingezeichnet, und zwar verlief der im Gegensatz zum Weg am Rhein schnurstraks, war also kürzer, und die paar Höhenmeter müssten doch zu schaffen sein! Erst geht's also bergauf nach Göfis, dann weiter, natürlich wieder runter nach Frastanz, dort soll irgendwo ein Weg zum Höhenweg weggehen, ja und regnen tuts auch. Ich frage einen sportlichen Österreicher, und der sieht, dass ich da zu der Feldkircher Hütte gehen müsse, ich hatte gedacht, der Weg ginge unterhalb vorbei, irgendwie beschlich mich ein Grumeln im Magen. Auf jeden Fall müsse ich aber über Amerlügen gehen. Das war auch nach meiner Karte denkbar aber schon ein Umweg und eine halbe Stunde steil nach oben. Vorsichtshalber fragte ich wieder einen sportlichen Österreicher. Und der fragte mich warum ich denn nicht das Samina-Tal gehen wolle. Ja das hatte ich auch schon bei meiner Planung zuhause in Erwägung gezogen gehabt. Das Tal führt fast gerade nach Triesen, meinem nächsten Ziel, und es ist auch eine Strasse oder ein Weg neben dem feinen blauen Strich auf meiner Karte eingezeichnet. Nur einen Haken hat das, die Strasse hört in der Hälfte des Tales auf, dann ist der blaue Strich ganz allein. Der sportliche Mann versichert mir, dass ein Weg weiter ginge, er sei ihn selbst schon gelaufen. Also, frischen Mut ich geh ins Tal und sehe mich schon fröhlich bei meiner Wirtin eintreffen. Ich hab mich bei einer Dame, die eine Privatpension betreibt, angemeldet, die mir gesagt hat, wenn die Tür geschlossen sei, dann sei sie im Garten. Der Weg ins Tal geht erst mal wie gewohnt bergab. Es ist ein breiter gesandeter Weg und der Gebirgbach, die Samina ist weit unten. Aber sie kommt höher und ich geh weiter nach unten bis wir beinander sind und das "Bächlein" ein Getöse macht als laufe ich an der Autobahn. Auch mal lauter und leiser, mal dumpfer mal heller, je nachdem wie die Steine sind, die das Wasser grade überwindet. Es hat zu regnen aufgehört, ein Radler fährt in meine Richtung und fragt ich ob er da irgendwo aus dem Tal käme, er möche nicht gerne den gleichen Weg zurück fahren. Nach einer halben Stunde kommt er zurück und winkt. Kein Ausweg! Plötzch kommen mir zwei Damen mit Hunden entgegen und nicht viel später stehen zwei Autos mitten auf dem Weg. CH und FH Nummern. Also kanns nicht mehr weit sein. Plötzlich ein Wasserfall, Beton verbaut, sicher 10m hoch. Der Weg ist zu Ende, es geht einen schmalen Pfad hoch, oben ein Pfahl mit Grenzmarkierung "Fürstentum Liechtenstein" Höhe 970m AHA! ja, ich bin natürlich mit dem aufregenden "Bächlein" wieder ständig bergauf gelaufen. Ab jetzt nur noch ein schmaler Steig auf dem nicht mal beide Füße nebeneinander Platz haben, der Hang an dem ich laufe ist so steil nach oben und unten, dass ich mich setlich abstützen kann, bzw. manchmal der Rucksack fast streift. Es geht rauf und runter, über Fels, Schotter, Lehm, durch breite Kahre, wo bei Unwettern die kleinen Bäche riesige Baumstämme runtergeschwemmt haben... Und es fängt zu donnern und zu blitzen und zu regnen an. Jetzt weiß ich, dass man in Zeiten absoluter Gefahr keine Angst hat! Ein Fehltritt und es ist aus. Aber nur so geht es. An umkehren kann ich nicht denken, weil ich mir nicht vorstellen kann, den Hang statt rechts links zu haben... Es wird langsam sechs, da habe ich mich in meiner Pension angemeldet. Und ich laufe im Regen in diesem Tal. Ich hab` schon Schwierigkeiten die Markierungen und den Weg zu erkennen und dek die Stirnlampe raus zu holen. Aber da verändert sich was, der Weg geht nach oben, es wird flacher, eine Weide mit Kuhfladen! Eine Wohltat! Ein Weg, plötzlich ganz in der Ferne Lichter, offenbar von Autos. Wie gut das tut. Autos! Eine gestaffelte Holzhaüserreihe, ich hol´ den Foto raus, aber wie ich wieder aufschaue und das Bild machen will, sind die Häuser im Nebel verschwunden. Ich komm an eine Strasse und die führt in einen einspurigen Tunnel, dahinter muss Triesen sei, mein Ziel! Aber keine Chance durch den Tunnel zu gehen, die Autos donnern durch, aber ich seh eine Bushaltestelle und geh hin und schon kommt der Bus und der fährt erst mal durch den Tunnel und dann etwa eine halbe Stunde auf Serpentinen nach unten. Ich ruf meine Wirtin an und sag ihr dass es später wird, frag den Busfahrer nach der Strasse in die ich muss, denn das kleine Liechtenstein und seine Stadt Triesen kommen mir plötzlich ganz groß vor. Pitschnass treffe ich ein, eine liebe alte Frau, sie hat auf der Strasse unterm Schirm auf mich gewartet, damit ich ja nicht vorbei laufe. Das war Triesen. Schnurstracks bin ich am nächsten Tag wieder auf den Rheindamm gelaufen und hab ihn nicht verlassen bis Landquart, von wo ich aber novh auf ein Bergdorf, Mastrils, steigen musste, weil das einzige Hotel Betriebsurlaub hatte. Dafür wurde ich mit einer wunderschönen Sicht ins Rheintal und auf die ringsum schon verdächtig hohen Berge belohnt. Dann kam Chur, an dem ich fast vorbei gelaufen wäre und nur durch Intuition oder Vorsehung oder das bekannte Gefühl im Magen eine Frau fragte, die mich aufklärte, dass das nicht am Rhein läge, sondern oben. Drei Österreicher, die ich unterwegs getroffen hatte und die eine Wanderung von Appenzell nach dem Tessin machten, gesellten sich dazu und machten Fotos von meinem Diskurs mit der Frau. "Oben" war noch mehr als eine halbe Stunde Wanderung. Aber ich hatto noch Zeit, die Altstadt zu durchwandern und die Kathedrale zu besichtigen. Chur hatte ich gelesen, sei die älteste Stadt der Schweiz. Man sieht nur wenig davon, große Brände haben immer wieder das alte zerstört. Überrascht war ich von der Kathedrale! Außen völlig unscheinbar innen ein Wunderwerk! Romanische Kapitelle mit figürlichen Darstellungen, wie ich sie nur in Frankreich und Spanien gesehen habe, gotische Elemente und eine barocke Kanzel, düster der Raum aber viel Farbe. Weiter am Rhein entlang, jetzt nicht mehr einsam auf dem Rheindamm sondern immer in der Nähe von Straßen und dem Bahndamm. Das Rheintal wird enger. Bonaduz ist das nächste Ziel. Es liegt auf dem vor 100 000 Jahren abgestürzten Gesteinsmassen - es war der größte Felssturz in den Alpen, der Vorderrhein wurde damals zu einem riesigen See aufgestaut, und das Wasser musste sich neue Wege suchen, was zu Schlucenbildungen führte, die heute Sehenswürdigkeiten sind. Offenbar auch Paradiese für Radler, jedenfalls gibt´s viel davon. Ja und jetzt bin ich da, nach einer wenig spekulativen Wanderung am Hinterrhein entlang, allerdings ein kurzes Stück auch auf einem Steig an einem steileren Hang. Fluss, Eisenbahn - Glacier-Express - Autobahn, Landstrasse, Radfahrer, Wanderer, alles einträchtig beisammen im enger werdenden Tal. Und jetzt bin ich in Thusis. Links wäre ein schönes, liebliches Tal weg gegangen, das Albula-Tal, aber nein, ich muss in das enge, düstere Tal in dem die Viamala nach Süden führt. Drückt mir die Daumen! Siegfried