23
Juli
2010

Andeer

Hallo, ich lebe noch! Durch die Via-Mala- Schlucht bin ich gut gekommen, allerdings war ich auch gar nicht mutig sondern bin immer nur der Strasse lang gelaufen. Wenn man von Thusis aus nach Süden sieht geht links ein schönes breites liebliches Tal weg, das Tal der Albula. Genau nach Süden geschaut, siehts allerdings dunkel und eng aus und das ist die Rheinschlucht durch die die Via mala führt. Eine alte Verbindung von Italien nach Norden, die die Römer schon benutzt haben, man kann in den Fels geschlagene Halbgalerien heute noch erkennen. Später war es ein Handelsweg, der nach um nach befahrbar wurde, das war so um 1500. An der engsten Stelle, hier gibt´s einen Kiosk, hier ist die Schlucht auch touristisch erschlossen, hier kann man auch lesen, dass Goethe schon da war und Skizzen gemacht hat, ist die Schlucht nur vielleich 10 bis 30 Meter breit, aber ab Strassenniveau noch ca 70 Meter tief. Und ganz unten sieht man das blaue Wasser zwischen den ausgewaschenen Felsen durchschießen. Über mir ragen die Felswände dann noch mehrmal so hoch auf. Wenn man Eintritt bezahlt, kann man auf Treppen fast bis zum Wasser runter steigen und die Strudeltöpfe, vom sprudelnden Wasser und darin rotierenden Steinen topfartig ausgehölten Felsnischen, unter den römischen Halbgalerien stehend, bewundern. Drüber wölbt sich eine mittelalterliche Brücke von einer Felswand zur andern und man kann hier auch noch den alten Wegverlauf und alte Brüstungsmauern sehen. Und natürlich, wo´s was zu sehen und zu erleben gibt, sind auch die Sachsen nicht weit: do wern ma heit obend abr än schän Musglgata ham! Wie gesagt, es hätte einen sehr schönen Weg durch die Schlucht gegeben, er hat von weitem sogar gut begehbar ausgehen, man hätte die Schlucht auf einer 70m langen Hängebrücke überqueren können und auf einem, ein Seitental überspannenden, langen Holzsteg, der von Ferne wie ein langes, aus Holzbretter zusammen gezimmertes Rohr aussieht. Ich ging aber auf der ruhigen Kantonalstrasse, drüber und manchmal drunter verläuft eine belebte Bundesstrasse, die oft in Tunnels verschwindet, und eine Autobahn gibt´s da auch, die aber nur am Anfang und Ende der Schlucht in Erscheinung tritt. Ist man ein paar Stunden durch die enge und düstere Schlucht gelaufen öffnet sich das Tal. Sanfte Hügel und weit sichtbare Dörfer an den Hängen hinter denen die gewaltigen felsigen oben vom Schnee weissen Berge aufragen. Jetzt wage ich mich auch wieder auf einen Wanderpfad, komme durch Zillis, deren Kirche die "Sixtinische Kapelle des Nordens" genannt wird. Aber ich Banause weiß das natürlich, als ich vor dem kleinen Museum stehe, das dazu gehört, noch nicht. Und hab auch keine Zeit alles zu lesen. Am Himmel brauen sich Wolken zusammen und ich möchte möglichst mein nicht mehr fernes Ziel noch trocken erreichen. Und ich schaffe es. Aus dem im Zimmer ausliegenden Prospekt erfah ich, dass die Kirche in Zillis eine einzigartige romanische Bilderdecke aus 153 bemalten Holztafeln hat Holztafeln, die das mittelalterliche Weltbild darstellen! Ich geb mich allerdings weltlichen Freuden hin. Erst dusche ich, dann trink ich einen Capuccino, der hier schon recht italienisch schmeckt, dann geh´ ich ins Aquandeer, dem bekannten Mineralbad im Ort Andeer und lass mich von allen Seiten von scharfen, pulsierenden Wasser- und Luftmassen im 35° warmen Wasser im Freien massieren und schau auf der einen Seite auf den Kirchturm, auf der anderen Seite auf die hoch aufragenden Berge, auf der nächsten Seite auf die dunkel hinter den Bergen heraufziehenden Wolken und zuletzt auf die über mir verdächtig im Wind schwankenden hohen Fichten.... Am Morgen regnet es, die Berge sind weg. Und da soll ich, nochmals durch eine Schlucht zwischen Andeer und Sufers gehen? Sufers liegt 1500 Meter hoch, 500 Meter höher als Andeer. Wenn ich hoch sehe, die Wolken sind keine 500 Meter höher als wir!, ich würde also in die Wolken gehen. Der Ort ist schön, es ist erst der dritte Ruhetag auf der Reise, also mach ich Ruhetag und faulenze und verlasse das Zimmer nur kurz um eine Zeitung zu kaufen um mich über die Wetteraussichten zu informieren. Samstag wird's noch schlecht sein aber ab Sonntag wird's schön. Samstag kommt mein Bruder Bernhard nach Splügen um mit mir über den San Bernardino zu wandern, also werde ich die nicht sehr weite Wanderung nach Splügen morgen in jedem Fall machen, auch hier gibt es offenbar ungefährliche Weg-Alternativen. Bei meinem kleinen Abendspaziergang zwischen zwei Regenschauern, die allerdings schon gemäßigter sind, sah ich hinten im Tal durch die Via Mala düstere Wolken heraufziehen. Für mich ungewohnt, Wolken von unten. Die Berge sind immer noch grau verhüllt aber das grau ist meliert, hellere bis weiße Flecken wandern durch und manchmal scheint es blau durch zu schimmern. Ich freu Mich auf morgen! Siegfried

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