01
Juni
2008

Naumburg (29. Mai)

Hallo,

bin um 16.16 Uhr am Dom eingetroffen und hab meinen ersten offiziellen Stempel bekommen.

Was man als eingetragener Pilger des ökumenischen Pilgerweges noch bekommt, ist eine Freikarte für eine Dombesichtigung. Und die Dame hat gemeint, ich würde die Führung gleich mitmachen. Das war für mich schon ein bisschen zu viel!

Heut war ein besonders heißer Tag und an mir lief's Wasser runter. Werde morgen einen Ruhetag einlegen und Naumburg, das einen sehr schönen Eindruck macht, erforschen.

Auf dem Bild seht Ihr mich nach einem Glas Wasser schon ein wenig erholt. Ich sitze da im Mohren-Café am Dom. (Anm. d. Red.: Bilder gehen noch nicht... ;-) )

An der Domkasse wurde mir auch die Adresse eines Privatquartiers gegeben, das gleich um die Ecke ist, aber da war vorhin niemand da, deshalb sitze ich hier, wartender Weise.

Später mehr.

Also das war nichts. Das Zimmer sei schon belegt. Habe noch jemanden angerufen, der eine Unterkunft auf dem Zettel des Doms anbietet. Anrufbeantworter! Man soll die Telefonnummer angeben, man würde zurückgerufen werden. Es ist jetzt Viertel nach Acht, bis jetzt kam noch kein Anruf. Das ist praktisch nicht zu machen, wie sollte man jetzt noch ein Zimmer finden, wenn man noch keins hat?

Skeptisch war ich bei diesen Privatadressen auch deshalb gewesen, weil sie offenbar – bis auf die erste – fern vom Zentrum sind. Erstens ist jeder Schritt dorthin eine zusätzliche Mühe, zweitens kann man, wenn man von der Stadt noch was haben will, nochmals seine massakrierten Beine durch wenig attraktives Gelände quälen. So hab ich mich umgeschaut und am Verbindungsweg zwischen Dom und Marktplatz, – der Abstand ist etwa fünfmal so weit wie in München zwischen Marienplatz und Dom – eine DDR-romantische Pension zu einem erschwinglichen Preis gefunden. Leider vorerst nur für eine Nacht. Die liebe Pensionschefin sagt mir aber Bescheid, wenn sie verlängern kann.

Würde doch gern meinen strapazierten Gliedern einen Tag Ruhe gönnen und vor allem meiner ersten Angebeteten: UTA (für die, die's noch nicht wissen, sie war im Schulbuch abgebildet, und meine erste große, wie sich versteht, eher platonische, Liebe) mit Liebe und Inbrunst gerne lange in die Augen blicken.

Jetzt sitze ich im Freien vor der "Kanzlei", hab sehr gut gegessen, und zwei Erdinger Weißbier getrunken. Alle Tische sind besetzt und die Leute sind alle guter Laune.

Ich weiß! Das ist nicht so richtig jakobpilgermäßig was ich hier treibe, aber...

Dafür habe ich beim Herwandern ein bisschen ein schlechtes Gewissen gehabt: Gestern Nachmittag, als ich vor dem Café in Treuen meinen Kuchen verspeiste, hatte ich mich im Freien an einen Tisch gesetzt, an dem zwei ältere Leute saßen. Der Mann versuchte mit mir ins Gespräch zu kommen. Ich verstand nichts, aber gab Antwort. Mit der Zeit kapierte auch ich, dass diese Leute nicht Gäste des Cafés waren, sondern hier nur eine Ruhepause eingelegt hatten. Die Frau hat offenbar größte Probleme mit den Beinen, der Mann hat vorne nur mehr ein paar Zähne, die er mir demonstrativ zeigte. Als sie gingen (was erst nach mehreren Versuchen zum Aufstehen, der Frau gelang), bedankte er sich ein paar Mal. Ich weiß nicht, wofür. Vielleicht dafür, dass ich mich zu ihnen gesetzt habe. Wenn man fies ist, könnte man das auch so auslegen – so tät's vielleich ein Bayer – dass er sich bedankte für etwas, was er nicht bekam aber erwartete (ich glaube das in diesem Fall aber nicht).

Aber die Situation hat mich beschäftigt. Wie leicht hätte ich diesen beiden alten, armen Leuten eine Freude machen können! Ein Kännchen Kaffee, ein kleines Stück Kuchen, es wäre für mich kein Problem gewesen. Leute wie die heilige Elisabeth haben's vorgemacht.

Heute habe ich nicht die von mir geplante Route eingeschlagen, sondern mich von den Pensionsleuten beraten lassen: Ich bin von Treuen, am Bahnhof vorbei und an einer Asphaltmischanlage(!) über Nossa ("Klein- oder Groß-" weiß ich nicht mehr) auf einer nicht in der Karte eingezeichneten Autobahnbrücke nach Pittitz (einem recht hübschen Ort, wo ich mich auch noch verlaufen habe; von der Wehrkirche hab ich ein Foto gemacht) über Schönburg nach Naumburg gewandert.

Nach der landschaftlich erst wenig abwechslungsreichen Tour vor Prittitz – sie war geprägt durch Raps- und Getreidefelder, sowie einen großen Windmühlenpark, und natürlich dem Autobahnlärm – wurde es nach Prittitz und vor allem nach Schönburg richtig romantisch. Erst führte die schmale Straße durch einen dichten Mischwald. Die Bäume überdachten die Straße wie einen Tunnel. Das tat sehr gut bei der heutigen Hitze. Dann kam Schönburg, kurz sichtbar ein runder, massiger Turm, dann führte die Straße zwischen Sandsteinmassiven, waagrecht gebändert nach unten. Auch den Eingang zu einem Felsenkeller habe ich gesehen und fotografiert.

Zur Burg bin ich nicht hoch gegangen, scheint auch nur ein Restaurant zu sein – das sind halt die Zugeständnisse ans Wandern. Dafür hab ich auf der Brücke vor einem Wassermühlenrad eine Pause eingelegt und die erste alte, also hitorische, Windmühle gesehen. Wie ich auf den Wanderwegweisern gelesen habe, gibt es hier auch einen "Mühlenweg"!

Und einen Saale-Radwanderweg! Und an der Saale bin ich an einem schattigen Hang nach Naumburg gewandert. Und es war wunderschön. Und da ist mir das Lied eingefallen: "An der Saale hellem Strande"...

Mir fiele noch was ein. Aber es ist 22 Uhr, und ich bin einer der letzten. Es wird kassiert. Der letzte Schluck des Weißbiers gilt Euch allen!

Siegfried

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