01
Juni
2008

Zeitz (27. Mai)

Ja Ihr Lieben,

jetzt bin ich in der Situation, dass Körper und Geist sich nicht einig sind. Der Geist sagt: "Geh stell dich nicht so an und lauf anständig, es geht schon noch!"

Der Körper meldet: "Die Reifen sind platt! Du läufst schon auf den Felgen!"

Der Geist sagt: "Dann gewöhne dir kurzzeitig eine andere Schrittweise an, tritt mehr mit dem Vorderfuß auf!"

"Mach ich, aber schaut scheiße aus!"

"Ist auf der Landstraße egal!"

Nur daß prompt ein mitleidiger Mensch mir die Mitfahrt anbot und ungläubig den Kopf schüttelte, als ich ablehnte.

Ja, heute früh ging's wieder ab von Meuselwitz. Die nette, aber kurz angebundene Cheffin (mir scheint das Sachsen-Anhaltinische Art, nicht so gesprächig und neugierig wie die Sachsen) zeigte mir noch den Weg nach Zeitz, der kürzeste sei an der Bundesstrasse.

Durch den schönen Park, vorbei an einem gepflegten Pavillon, und schon war ich an der B 180.

Was seh ich da, eine Kirche, in grauem Naturstein, Neoromanik, und daneben ein bewohntes Pfarrhaus. Das ist gar nicht so selbstverständlich, ich hatte erst eine Kirche gesehen, zugewachsen und davor eine Tafel: Betreten verboten! Lebensgefahr! Und dann lese ich: Kath. Pfarramt "St. Elisabeth". Das war die Gelegenheit für den ersten Stempel auf der Reise! Es waren mindestens 10 Stufen zur Haustüre zu erklimmen. Ein älterer Herr machte auf. Ich bat um einen Stempel in meinen Ausweis. Antwort: "Hab keine Berechtigung, da nicht am Weg... und außerdem bin ich Rentner!" Es war wohl der Pfarrer, denn er war schwarz gekleidet, mit schwarzer Hose und schwarzem Hemd. Wenn's nicht gar ein Architekt war – die ausgeflippten unter denen schauen meist auch so aus. Ja, das war erst einmal eine Enttäuschung, noch dazu da mein Weg auch durch Marburg, der Stadt der heiligen Elisabeth führen wird.

Nun auf der Budesstrasse. Kein Rad- oder Fußweg. Also schön links, dem Gegenverkehr entgegengehen. Da kann man gut die Mentalität der Fahrer studieren. Kompliment! Die LKW-Fahrer fahren durchweg – nach Blinkersetzen – auf die Gegenfahrbahn, wenn es möglich ist, obwohl ich schon frühzeitig auf den Grünstreifen ausweiche und stehenbleibe, um vom Fahrtwind nicht umgerissen zu werden. Viele PKW-Fahrer machen das auch, aber manche bleiben, auch wenn kein Gegenverkehr kommt, stur auf ihrer Spur und brausen mit Vollgas einen Meter an einem vorbei.

Noch besser machte es ein ganz eiliger, in meine Richtung fahrender: Er kam also von hinten, wo auch Pilger noch keine Augen haben und sich ganz auf ihr Gehör verlassen müssen. Der überholte einen LKW und war in meiner Höhe gerade neben dem Lastwagen. Es werden nicht viel mehr als ein Meter gewesen sein, die er von hinten kommend an mir in Hochgeschwindigkeit vorbeifuhr.

Eher amüsant ist da die Begegnung mit einem Leichtmotorrollerfahrer (DDR-Modell), der mir entgegenkam. Da weder von vorne (noch gehörmäßig von hinten) sich ein weiteres Fahrzeug näherte, mir es somit schien, dass wir uns einigen könnten, blieb ich auf meiner Spur, ca. 1/2 Meter neben dem Strassenrand. Er kam mir ca. 1 Meter neben dem Strassenrand entgegen und blieb stur auf dieser Linie. Wir berührten uns fast. War der erste kontaktfreudige Sachsen-Anhaltiner, der mir begegnete! Der zweite war die Apothekerin, bei der ich eine möglichst leichte Sonnencreme kaufte. Nach einer kurzen Rückfrage tippte sie sofort auf Jakobsweg und gab mir ein Kühltuch mit.

Um 12 Uhr war ich in Zeitz, und der Weg in die Stadtmitte zog sich lang und schmerzhaft bergabwärts hin. Ich suchte immer eine Burg oder den Dom zu sehen, die ja angekündigt waren. Aussichtslos! Erst nach mehrmaligem Fragen gelang ich in die Stadtmitte, den Rossmarkt, der durchaus von schmucken neu renovierten Häusern begrenzt ist. Nur ein Hotel oder einen Gasthof zum Übernachten fand ich da nicht, weiter unten bei der St. Michaelskirche sah ich ein Schild: HOTEL – aber das war verlassen. Ein Taxifahrer zeigte mir den Weg zum Hotel "Drei Schwäne", in dem ich jetzt residiere, die Füße auf dem Rucksack, E-Mail schreibe und gute Wurst mit Brötchen esse. Dafür gab's Nachmittag beim ROSSO einen guten caffè grande und einen Kirsch-Rhabarber-Kuchen.

Übrigens: Burg und Dom habe ich bei meinem nachmittäglichen Spaziergang noch entdeckt. Das Schloss wurde so kurz nach dem 30-jährigen Krieg aufgebaut, und der Dom ist mitten drin, ohne Turm! Das Geläute, wenn ich's richtig geortet habe, hängt im Torhaus des Schlosses. Da kann man lange suchen. Ja und ein schönes Glockenspiel haben sie hier auch, spielt z.B. "Sah ein Knab ein Röslein..." – erste Strophe einstmmig, zweite Strophe mehrstimmig.

Euer Siegfried

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