15
Juni
2008

Spangenberg (14. Juni)

Hallo,

Jetzt sitz ich hier beim Italiener vor einem Glas rotem Chianti und warte auf Tagliatelle DOC. Ein nettes kleines echtes Ristorante mit einer echten Italienerin!!!

Aber unter meinem Tisch steht wieder meine Landstreichertüte mit Saft, Wurst, Limburger, Müsli und einem großen Joghurt und – weil morgen Sonntag ist – einer Ciabatta.

Aber das hat eine Vorgeschichte!

Ich bin heute von Burghofen hierhergelaufen in der Absicht und mit der festen Erwartung, hier ein lebendiges, schönes Städtchen zu erleben.

Das Städtchen ist wunderschön, die Kirche ist alt und interessant: Der Chorraum ist seitlich erweitert um Seitenschiffbreite, mit einer Säule, wo sonst die südliche Wand steht. Schaut alles irgendwie original spätgotisch aus, aber das wäre noch zu klären.

Erst musste ich natürlich klären, wo ich unterkomme. Scheint alles kein Problem zu sein. Ich steh am Marktplatz, rundum ein Bild von Fachwerkstadt! Am Marktplatz ein Restaurant/Hotel (das ich mir aus Kostengründen nur im Notfall leisten wollte) und ein Ratskeller!

Und eine Information, die allerdings geschlossen hat: Es ist ja Samstag 16 Uhr. Nun telefoniere ich mit Gasthöfen, die aufgeführt sind. Das Hotel auf der Burg schließe ich aus. Irgendwo muss man ja schließlich zu sparen anfangen (Einzelzimmer ab 65 €).

Der erste Gasthof: Nicht abgehoben.

Der zweite Gasthof: Die Nummer ist uns nicht bekannt.

Die erste Privatunterkunft in Stadtzentrumnähe: Es wird nicht abgehoben.

Die zweite Privatunterkunft in Stadtzentrumnähe: Der Anschluss ist uns nicht bekannt.

Nun ging ich auf den Marktplatz, um doch im Hotel am Platz einzuchecken, und stellte fest, dass es das Hotel nicht mehr gab – Fassade und alles Drum und Dran waren allerdings noch da.

In dem Unterkunftsverzeichnis war eine Adresse Markt 4, da hatte aber die Telefonnummer nicht gestimmt. Also suchte ich das Haus. Ein altes Gebäude, schieferverkleidet, mit einer mindestens zehnstufigen Freitreppe. Eine Herausforderung, wenn man schon mehr als 17km auf Bitumen, auf Feldwegen, im Wald über Baumzweigenreste und einmal kriechend unter einem gefällten Baum sich fortbewegt hat, zweimal Regenzeug über sich und den Rucksack gestülpt hat, dafür aber erst einen Apfel und ein paar Schluck Wasser seit dem (allerdings recht üppigen) Frühstück genossen hat.

Die Treppe war geschafft, und was seh ich da? Pilger willkommen! Großes Aufatmen. Ein junger Mann öffnet und sagt mir, ich solle im Haus schräg gegenüber klingeln, da wohne die Besitzerin. Dort telefonierte der junge Mann gleich mit seiner Mutter und postwendend hatte ich den Schlüssel für ein nostalgisches Zimmer Am Markt 4! Mit Gemeinschaftsklo und Gemeinschaftsbad und einer Waschschüssel mit Krug auf der Kommode.

In einem kleinen Schreiben klärt der Hausherr auf: Dies ist das Haus meiner Eltern und Tanten, haltet es in Ehren! Das kostet 20 € incl. Frühstück, das man in der benachbarten Bäckerei bekommen soll.

Nun wird erst einmal die Wäsche gewaschen, die war nämlich schon überfällig, sonst hab ich nichts mehr zum Wechseln. Ja Leute, das Leben der Wanderer ist schwer: Hab ja nur drei U-Hosen dabei! Dann raus zum Abendessen!

Ratskeller geschlossen – für immer! Restaurant gegenüber (das kennen wir schon) gibt's auch nicht mehr.

Ich gehe die schöne Hauptstraße hinunter. Eine Pizzaria – man beachte das "a" in der Mitte – nicht besonders verlockend. Eine italienische Eisdiele: verlockend, aber ohne Gäste, aber wird in meinem Hinterstübchen vorgemerkt für ein eisförmiges Abenddiner. Ein Bistro ohne Gäste. Ein Döner, an der Fassade grell-farbig markiert: Da könnte ich mir einen Döner reinschieben, hab aber keine Lust dazu. Beim Weitergehen komme ich in einen kleinen hübschen Stadtpark und werde am Ufer der Pfiefe, an der ich ja heute entlang gewandert war, über Fischleitern aufgeklärt.

Auch an einen großen Parkplatz komme ich und einen Edeka-Markt, der bis acht Uhr auf hat, und da versorge ich mich für heute und morgen, meinem erholsamen Ruhesonntag!

Und all das steht jetzt in einem italienischem Restaurant unter meinem Tisch und ich überlege nun wie ich alter optischer Penner mit der Tatsache zurechtkomme, einerseits von der Existenz eines guten italienischen Restaurants zu wissen, andererseits von der Existenz einer gefüllten Edekatüte, die ich am Montag kaum mittragen werden kann. Aber Herausforderungen sind dazu da, gelöst zu werden.

Das Restaurant zeigte mir der Gelateriste, den ich nach einem guten Essen fragte. Das Ristorante liegt seiner Gelateria direkt gegenüber, ich hatte es einfach übersehen. So kam ich doch noch zu einer stimmungsvollen Umgebung zum E-Mailschreiben. Denn die E-Mails schreiben sich besser beim Wein und in gemütlicher Umgebung.

Nach einem opulenten Frühstück im Hotel heute früh wurde ich freundlich verabschiedet und ich bekam auch einen schönen großen Hotelstempel in meinen Pass. Und ich versprach, aus Santiago eine Karte zu schicken und mir wurde der Ehrenplatz dieser "Karte in spe" an der Wand im Restaurant gezeigt. Siegfried, Du kannst nicht mehr zurück!

Die Wanderung heute bot alles was eine Wanderung bieten kann: geteerte Wege, gepflasterte Wege, Sandwege, Fahrwege, begraste Wege, Fortwege auf denen Langholz verzogen worden war, Forstwege die mit Kleinholz und Zweigen übersäht waren, Wege, die von gefällten Bäumen überbrückt waren, Sonne, Regenschauer, Sturm. Auch verlaufen hatte ich mich, merkte es allerdings nach ein paar hundert Metern und nachdem ich Landschaft, Strasse, Bachlauf verglichen hatte, war ich zunächst der Meinung, meine Karte stimme nicht!

Ein paar Buben klärten mich auf: Nun musste ich feststellen, die Karte stimmte doch! Irgendwie beruhigend. Beunruhigend ist allerdings, wie schnell und gern man animmt, andere hätten Fehler gemacht, von der Fehlerfreiheit des eigenen Handelns allerdings voll überzeugt ist! Wie im richtigen Leben. Nur dass man das beim Wandern – hoffentlich – schneller merkt, und wenn nicht, wirklich selber ausbaden muss.

Ein bisschen hat sich das linke Bein wieder gemeldet, war doch ein bisschen anstrengend, aber insgesamt bin ich fast schmerzfrei! Manches Mal geht mir richtig ab, dass ich von den Fußsohlen nichts mehr merke!

Da kommt man sich schon fast wie ein Vergnügungsreisender vor. Vor allem wenn man sieht und hört, wie verbissene Auto- und Motorradfahrer ihre Motoren hochjagen, um ja möglichst schnell ans Ziel zu kommen. Das kann ich dann kilometerweit hörend mitverfolgen.

Ich hoffe, dass meine Anstrengungen nur in allernächster Nähe und da von niemandem gehört werden!

Da segt's, was ich für Sorgen habe!
Euer Siegfried, der seine schmerzlosen Fersen geniest

Ihr Kommentar

Diese Seite verwendet ein CAPTCHA System. Indem Sie die Zeichen auf dem schwarzen Bild eingeben, helfen Sie SPAM zu verhindern.