21
Juni
2008

Stadtallendorf (19. Juni)

Salute, der Gestresste grüßt Euch,

denn heute war wieder ein Tag, bei dem alles geboten war.

Nach dem gestrigen gemütlichen Abend im Biergarten meines Hotels bekam ich heute früh auch noch ein opulentes Frühstück, wie sich's gehört, so dass ich (wie immer Rucksack auf dem Buckel) ziemlich genau um neun Uhr auf der Straße war. Der Wirt trug mir noch Grüße an seinen alten Spezl im Hotel zur Burgruine in Marburg auf. Dann ging ich auf den gleich neben dem Hotel liegenden Paradeplatz vor dem Schloss und besuchte auch die Schlosskirche, wo ich mit Orgelspiel – übenderweise – begrüßt wurde. Auch das sehr schöne Gebäude des Museums sah ich mir, natürlich nur von außen, an.

Das Schloss ist sinnigerweise heute Gefängnis und hat vergitterte Fenster! Was für eine Nutzungsänderung!

Dann ging ich (weil's im Führer hieß: Zurückgehen bis zur Landgraf-Philipp-Straße) dahin zurück, wo ich gestern hergekommen war, weil ich meinte, dies wäre irgendeine Straße, die da abzweigen müßte. Gott sei Dank gab's da nach 500 Metern aber einen Stadtplan, auf dem ich sah, dass die Hauptstraße die besagte Straße war. Ich war also wieder mal – und das gleich am Morgen – eine Ehrenrunde gelaufen.

Nun hatte ich die Richtung, und auf einem Damm des Hochwasserrückhaltebeckens ging's Richtung Treysa weiter. Dies ist praktisch auch ein Stadtteil von Schwalmstadt wie Ziegenhain und andere nah bei einander liegende Orte.

Gut gelaunt und weit vor der von mir berechneten Zeit traf ich in Treysa ein und suchte ungeduldig den ersten Anlaufpunkt, das Stadion. Ein auskunftsfreudiger Herr klärte mich auf, dass ich einen Ort zu früh von meiner Route abgebogen war. Ich war doch nicht so schnell gewesen, wie ich's in der Morgeneuphorie gedacht hatte! Das war also die zweite Ehrenrunde gewesen.

Schließlich war ich in Treysa und nach einem echt pilgermäßigem Einzug auf einem schmalen Steg unter einer niedrigen Auto-, dann hohen Eisenbahnbrücke kam ich auch an die alte "Totenkirche". Diese ist heute eine malerische Ruine aus noch intaktem Turm und den Seitenwänden der Kirche. Totenkirche heißt sie deswegen, weil sie, nachdem eine neue Stadtkirche da war, nur noch bei Beerdigungen genutzt wurde.

Aber es gibt eine schöne Geschichte. Während der Belagerung der Stadt im Siebenjährigen Krieg strichen die Treysaer ihren Turm mit Buttermilchfarbe, eine damals gängige Art des Anstrichs (gibt's heute übrigens auch noch). Daraufhin zogen die Belagerer ab, weil sie annahmen: Wenn die noch so viel Milch haben, dass sie ihren Turm damit streichen können, dann hat das Belagern keinen Sinn. Seitdem heißt der Turm: Buttermilchturm!

Ich zog weiter. Ich hatte mir ja auch heute eine Streck von mehr als 20 Kilometer vorgenommen. Und nun ging's los: Feldwege, nicht gemäht. Stöcke können nicht eingesetzt werden, weil das Gras zu viel Widerstand bietet. Dann ein Waldweg: Blockiert von vom Sturm umgerissenen Bäumen. Ich umgehe sie weiträumig, immer auf der Hut, den Weg nicht zu verlieren.

Ein Bauer auf einem Traktor gibt mir den Tip, am Waldrand zu gehen, weil's auch wegen möglicherweise noch in den Bäumen hängender Astteile, die noch herunterfallen können (wir haben auch einen böigen Wind) gefährlich ist. Am Waldrand siehts besser aus, die meisten Bäume sind in Richtung Wald gefallen, warum aber einige wenige genau umgekehrt gefallen sind, bleibt mir ein Rätsel. Deswegen sind Umwege in die Weizenfelder zu machen.

Da ich zur Zeit – um ein wenig luftiger unterwegs zu sein – die Hose kürzer trage, bekomme ich von den Unterschenkeln ständig Meldungen über die bodennahen Eigenschaften des gerade durchwanderten Gebietes: kratzige Fichtenzweige, elastische, weiche Buchenzweige, Himmbeergestrüpp, Weizen, hohes Gras, Brennesseln.

Zum Teil geht's durch hohes Gras und ich suche Spuren von vor mir gegangenen Wanderern. Manchmal glaube ich, was zu erkennen, dann sind Halme in meiner Gehrichtung geknickt, manchmal nicht. Ich denke an die beiden jungen Frauen aus Minden, die ich gestern kennengelernt habe, aber nicht mehr traf. Eine ging in Sandalen, weil ihr Fuß so geschwollen war, dass sie nicht mehr in den Wanderschuh hinein kam. Für sie wäre das eine Tortur! Aber die beiden hätten sicher eine Lösung gefunden.

Heute hatte ich vergessen, Wasser mit zu nehmen – das erste Mal. Und so hatte ich nur ein paar Schluck zu trinken, Obst hatte ich auch nicht. Und gerade heute kam ich an eine gefasste Quelle! "Klauseborn" in der Nähe von Momberg. Da konnte ich biblische Sprüche und Verse von Dichtern zum Thema Wasser lesen, während ich ausgiebig das kühle, gute Nass genoss.

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