21
Juni
2008

Ziegenhain / Schwalmstadt (18. Juni)

Der Pilger ist mal wieder kein Pilger, sondern sitzt in einem etwas abgehobenen Biergarten in Nordhessen. Aber das muss auch sein, sonst meint er am Ende hier gibt's gar nichts zum Essen.

Also nach meinem gestrigen Hamburger Fischmarkt-Essen war ich ja noch fast bis halb elf Uhr am Marktplatz gesessen – auf den Stühlen des Hamburgers. Nichts gegen die Hamburger! Sind ja lieb – aber in Homberg?

Um neun Uhr bin ich wieder abmarschiert heute früh, nachdem ich ein Pfund türkischen Joghurt mit dem Rest meines Müslis gegessen habe. Dazu gab's Magnesiumtrunk aus der Apotheke. Bei der Bundeswehr wurde gesagt: Gelobt sei, was hart macht.

Im Hinterstübchen hatte ich schon erwogen, die geplante Tagestour bis Frielendorf (16 km) eventuell zu verlängern, und unterwegs entschloss ich mich dazu (so waren's dann 24 km). Nachdem ich in Frielendorf an einer Kurve praktisch mit der Nase auf eine Gastwirtschaft mit Metzgerei gestoßen wurde, musste ich da, da ich das wirklich als Fingerzeig Gottes verstand, einkehren.

Die Wirtin war sehr lieb, war aber partout nicht einverstanden, mir zu den gerösteten Klopsen ein Schnitzel zu servieren. "Wir müssen da mal was klären..." Also die Klopse sind keine Semmelknödel, sondern Hackfleischknödel. Wir einigten uns dann auf Klopse mit Kartoffelsalat, und es war wirklich gut. Und es war meiner Erinnerung nach das erste Mittagessen während der Wanderschaft.

So gestärkt gab es keinen Zweifel, es geht bis Ziegenhain! Und da bin ich nun und sitze im "Hotel Landgraf", bei Weißbier, Espresso, aber gesättigt mit einem "Schwalmer Sack", einer Spezialität des Hauses, Schweineschnitzel gefüllt mit Waldpilzen, Schinken und Zwiebeln.

Ob's den beiden Damen auch so gut geht, die mich heute am Spiesturm, gerade als ich meine Unterwäsche von der Leine (am Rucksack) nahm, einholten? Es sind zwei jüngere Damen aus Minden in Westfahlen, die eine Woche wandern, aber riesen Rucksäcke haben. Sie waren in Homburg auch im Evangelischen Jugendgästehaus, aber wir haben uns nicht gesehen. Und im Hamburger Fischmarkt haben sie auch gesessen, aber da haben wir uns noch nicht gekannt.

Eine der beiden ist vor einem Jahr den Spanischen Jakobsweg gegangen.

Auch sie haben schon schöne Erlebnisse gehabt. Die eine verliert gerne ihre Wasserflasche, was besonders dramatisch ist, weil sie von der Tochter geliehen ist, und die gerne diesbezüglich Theater macht. Und da war es wieder mal passiert. Ein Mann kommt dazu und sieht die in Auflösung begriffene Frau und sagt, er wird auch schauen. Sie läuft zurück, die andere wartet. Da kommt ein Auto: der Mann – und er hat die Flasche, aber jetzt ist die Frau weg. Nun fährt er die Strecke zurück, findet die Frau, und nun sind Frau, Flasche und Partnerin wieder vereint.

Nach dem kleinen Ratsch am Spiesturm (er war übrigens ein Teil der Grenzbefestigung zu Zeiten Ludwigs I (nicht des Bayern)), gingen wir wieder los, und da ich "Mann" und mit Klopsen im Magen, verabschiedete ich mich: Ich hätte ein anderes Tempo, was beide verstanden.

Ich zog los, rasant, Stöcke energisch in den Boden rammend. Nach zwei Kilometern hörte ich lockere Gespräche zweier Frauen hinter mir: Meine zwei neuen Bekanntschaften kamen, leger plaudernd an mir atemlosen Gewaltbolzen vorbei. Wir wünschten uns viel Erfolg bei der Nachtquartiersuche, und dass wir uns vieleicht bis Marburg wiedertreffen würden, und vorbei waren sie und auch bald außer Sichtweite. Das zum Wollen und nicht Können (meinerseits)!

Heute habe ich mich gegen Ende des Tages in einer Schaufensterscheibe gespiegelt gesehen. War mir ziemlich fremd, hatte aber auch keine Kraft mehr diese Figur zu fotografieren. Vielleicht ein ander Mal. Trotzdem nächste Woche geht's zum Friseur!

Euer
Siegfried im Zustand der Rekonvaleszenz bem Weißbier

PS: Weintrinken heb ich mir jetzt konsequent bis in die Weingebiete Lahn, Rhein, Mosel, Frakreich auf: man braucht ZIELE!

PPS: Jetzt spielt der Wirt Quetsche und zieht im Garten umher!

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