Obernhof (29. Juni)
Heute war einer der anstrengendsten Tage, um es gleich vorweg zu sagen, dabei wollte ich es heute, da es Sonntag ist, ja gemütlich angehen.
In meinem geliebten Jakobswegführer steht für die Tour "schwer".
Dabei empfiehlt er aber die Tour von Dietz bis Nassau zu gehen. Ich hab die Tour schon verkürzt von Balduinstein bis Obernhof, also 12 km weniger, insgesamt dürfte ich heute demnach also ca. 14 km gelaufen sein.
Außerdem habe ich beim ersten Abschnitt, von Balduinstein aus, auch noch ein bisschen geschwindelt und bin statt auch noch zur Schaumburg rauf zu laufen gleich auf der Landstrasse außen rum, bis dort hin wo der Jakobspfad/Lahnhöhenweg die Landtrasse wieder kreuzt. Eigentlich schon ein kleines Erfolgserlebnis! Aber dann gings los. Erst hoch zum Steinsberg. Zunächst voll Erwartung einer besonders schönen Aussicht auf die Lahn oder wenigstens den Westerwald, aber nichts wars. Dann gings wieder runter, zum Teil durch wunderschöne Wälder, manchmal spitzen auch die Felsen an steilen Abhängen heraus.
Runter geht's dann fast wieder bis auf Lahnhöhe, dann wieder steil hinauf, an einem Zaun vorbei, hinter dem ein bissiger kleiner Hund ein mords Theater aufführt. Einmal kläfft er von ganz vorne, weil er hinter seinem Zaun nicht genau mitbekommt wo ich bin, dann hinten, dann entdeckt er mich und giftet mich bellend und knurrend direkt an. Mit meinen beruhigenden Worten, und auch mit meinem verhaltenen Gebell kann ich keinen Kontakt herstellen und Frieden stiften. Aber schließlich ist der Zaun zu Ende und es geht wieder nach oben.
Heute kommt mir ein Wanderer entgegen, der fast so aussieht wie ich! Bart, Rucksack, Alter. Wir bleiben stehen und reden ein bißchen. Er kommt aus Nassau und will bis Balduinstein gehen. Er war schon um 7.00h früh los gegangen. Macht aber nur Tagestouren und fährt dann wieder. Ich frage mich, was er in seinem Rucksack alles mitträgt, da er genauso gefüllt aussieht wie meiner. In meinem ist dagegen mein ganzer Haushalt für ein halbes Jahr drin.
Über die noch vor mir liegende Strecke hör ich Schreckliches! Immer nur rauf und runter. Ein anderes älteres Paar fragt, ob ich meine Machete dabei hätte, es ginge auch einmal durch Brennesseln.
Und da ging ich auch durch, aber erst nachdem ich mich verlaufen hatte.
Ein junger Mann, der sich grade an der Lahn sonnte, und zwei schwarze, große Hunde, so eine Art Dobermann, begrüßten mich. Er, tätowiert, zeigte mir den richtigen Weg, und um nicht zurück gehen zu müssen, könne ich gleich hier über die Gleise. Und da sah ich auch die Brennesselstrecke! Einer der Hunde war schon drüben. Ich nach, der Hund vor mir. Der Mann rief Ike! Aber Ike hörte nicht. Ich ging langsam, Ike vor mir. Der Mann rief "Ike zurück". Ich hatte den Eindruck, Ike hatte mich adoptiert. Ich blieb stehen. Der Mann kam barfuß über den Schotter der Bahntrasse, dann, er hatte ja nur eine Badehose an, so auch durch die Brennesseln. Ich blieb stehen, damit Ike ihn wieder sehen könne. Aber Ike war schon im Wald. Der Mann sagte, ich könne ruhig weitergehen, der Hund käme schon wieder. Ich ging weiter, der Hund immer vor mir, von Zeit zu Zeit blieb er sitzen und wartete, ob ich käme. Die Ike-Rufe wurden immer leiser. Ich sah mich schon mit einem neuen Begleiter, einem verspielten aber gefährlich aussehendem Dobermann.
Nun hatte ich eine Idee! Was macht der Hund wenn ich mich umdrehe und wieder zurückgehe? Ja, er tuts! Er überholt mich, läuft 50m voraus, setzt sich und wartet ob ich komme. So geht's wieder ein bißchen zurück, bis er hinter einer Bodenwelle verschwindet. Er sitzt wieder, ich sehe nur noch die Ohrenspitzen. Aber er hört, so vermute ich wieder sein vertrautes "Ike", steht auf, schaut traurig zu mir und läuft, Gott sei dank, zu seinem Herrchen zurück.
Ich steh wieder an einem der angepriesenen Ausichtspunkte: "Vierseensicht". Aber ich sehe keine vier Seen, nicht einmal einen, und von de Lahn auch nur ein Zipfelchen. Schließlich ein Aussichtspunkt, der mich interessiert: Obernhof! Weit weg und weit unten. Und das Lahntal ist hier zwischen den bewaldeten Hängen, auf einem von denen stehe ich ganz oben, ganz eng, nur Strasse und Bahn haben daneben noch Platz. Gott sei Dank, jetzt geht der Weg endlich auch nach unten. Auf einem Saumpfad, bis zu 45Grad geneigt, zum Teil Stufen, aber kaputt, dann stehen Rundeisen aus dem Boden raus. Wenn man da ausrutscht und hinfällt!
So, unten. Der Wegweiser zeigt nach links, ein breiterer Weg, er führt wieder nach oben. So gings ein paar Mal. Eine Tortur, es war schließlich schon 5.00h! Und ich war seit 1/2 10h auf den Beinen. Erst kurz vor Obernhof geht's auf einem schmalen Saumpfad endgültig nach unten und ich bekomme beim zweiten Mal fragen auch ein günstges Quartier!
Und jetzt hab ich auch schon Lahnwein getrunken, Obernhof ist jetzt nur noch der einzige Ort an der Lahn wo Wein angebaut wird. Der Wein ist halbtrocken und schmeckt fein und fruchtig. Schade, aber die Arbeit an den sehr steilen Hängen bringt wohl nicht genügend Geld ein, damit ein Winzer davon leben kann.
Gegenüber von mir, hinter den Häusern auf der südlichen Lahnseite erhebt sich weiß und ockerfarben eine Kirche mit vier Türmen: Kloster Arnstein. Auch aus der Zeit des 12. Jahrhunderts. Es war hier damals wirklich schon allerhand los!
Übrigens, Selters, der Ort, aus dem das Selterswasser kommt, liegt auch an der Lahn.
Von der ganz ruhig dahinfließenden Lahn grüßt Euch alle herzlich
Siegfried