Koblenz (3. Juli)
Heute ist Ruhetag und ich spüre so eine Ruhe an die ich mich gewöhnen könnte.
Früh war ich mit Alfons schon in der Kirche, die haben hier in der Nähe ein Nonnenkloster mit indischen Nonnen und da war heute anläßlich eines Feiertages –
der Hl. Apostel Thomas, der ist 52 n.Chr. nach Indien geschippert und hat dort missioniert, und daraus ist eine Gemeinde an der Süd-West-Küste Indiens entstanden, die heute rund 3,5 Mio. Mitglieder zählt. Welchen Mut und welche hohen Ideale muß so ein Mann damals gehabt haben und wie wenig Mut haben wir heute? Was für Ideale haben wir noch. Erstens brauchen wir ein Handy, damit wir ja überall erreichbar sind, damit gleich der Notarzt da ist, wenn wir Nasenbluten haben, ja und natürlich auch deswegen, weil wir für die anderen so wichtig sind. Zweitens brauchen wir einen Krankenversicherungsschein mit kompletter Abdeckung und der Gewähr, dass wir mit dem Flugzeug heimgeführt werden usw.
– eine besonders feierliche Messe im syrisch-maladinischen Ritus.
Drei Nonnen haben für meine Ohren fast sphärische Melodien in einer mir sehr fremdartigen Sprache gesungen. Drei Priester haben zelebriert, davon zwei Inder. Ihr Deutsch konnte ich schlecht verstehen, doch im Heftchen konnte ich die ins Deutsche übersetzten, sehr anrührenden Texte mitverfolgen.
Anschließend ausgiebiges Frühstück auf der Terrasse, dann Aufbruch in die Stadt. Da mein Cousin vor ein paar Tagen unverschuldet einen schweren Autounfall hatte, kann er mich nicht wie vorgesehen begleiten.
Es dauert zu Fuß von hier, Pfaffendorf, etwa 45 Min bis zum Deutschen Eck an der Moselmündung. Aber besonders attraktiv haben die Koblenzer den Zugang zu einer ihrer Sehenswürdigkeiten nicht gestaltet. Man geht am Rhein entlang an ein paar Getränke-, Karten- und Würstchenbuden vorbei, wenn ich nicht wüßte, das Deutsche Eck müsse irgendwo am Rhein liegen, da wo ich nicht mehr weiterkomme, weil die Mosel reinmündet, wäre ich nicht sicher ans Deutsche Eck zu kommen.
In die Innenstadt, zur wirklich fast attraktiven Fußgängerzone – dass die Koblenzer nicht mit Fassaden wie in Limburg aufwarten können, dafür können sie ja wirklich nichts – bin ich durch eine Hinterhofstrasse gegangen, links ein fensterloses, dunkel gestrichenes Sockelgeschoß, rechts Parkplätze. Die ideale Verbindung zwischen der Hauptattraktion und der Innenstadt.
Natürlich war ich auch in der Kastorkirche, einer alten romanische Kirche aus der Zeit der Dome von Limburg und Naumburg. Aber auch dahin muß man den Weg suchen, obwohl die Kirche gleich hinter dem Deutschen Eck steht.
Kurze Zwischenbemerkung: Hab mir gedacht, ich bekomme von einem hocherfreuten Pfarrer, weil ein Pilger aus Sachsen, geboren in München, der einen Koblenzer Vater hat, vor ihm steht, einen Stempel in den Pilgerpass – aber im Pfarramt war wohl niemand, denn es wurde nicht aufgemacht. Die Alternative "INFO", die haben manchmal auch ganz schöne Stempel, half mir nichts, ich habe sie einfach nicht gefunden, auch das Rathaus nicht, obwohl ich durch die Rathauspassage gerannt bin – zu der Zeit hat's übrigens geregnet, vielleicht findet man die Info in Koblenz nur bei schönem Wetter.
In Koblenz ist's wie im Koblenzer Stadtwald: Du siehst ein wunderschönes Schild "Rathaus INFO", gehst und gehst und siehst nie mehr was, bis ein ebenso schönes Schild kommt, das in die Gegenrichtung weist. Bei Regen ist das besonders amüsant. Und im Wald sowieso. Da kann man dann lange amüsante Gespräche mit drei Joggerinnen vor einer Übersichtskarte initiieren, und jede macht einen anderen Vorschlag, welchen der 5 wegführenden Wege man am besten gehen sollte. Der beste Vorschlag war der, ich solle über den ...berg gehen (genaue Bezeichnung kann erfragt werden) da könne ich mich am besten orientieren. – Mir war aber der Weg zu weit!
Aber jetzt bin ich schon auf meine Wanderung im Stadtwald abgeschweift, wir sind ja noch am, bzw. auf dem Weg zum Deutschen Eck.
Schließlich habe ich es doch gefunden, im spitzen Winkel zwischen Rhein und Mosel, gewaltig, halbrund mit einer breiten Freitreppe davor. Und oben auf dem Pferd in Bronze Kaiser Wilhelm! Oder so einer, Ihr seht schon, mit der Geschichte hab ich's nicht so, ich schreib das ja alles aus dem Gedächtnis!
Der Platz davor bis zum Geländer an Rhein und Mosel ist besandet, da können sich die Leute überall hinstellen und fotografieren. Die paar aufgestellten Sitzbänke sind ohne Lehnen, dafür ist die Sitzfläche doppelt tief, unbequem zum Sitzen für einen erschlafften Pilger, aber wenn man Matte und Schlafsack...?
Am Geländer entlang glotzen riesige Löwenköpfe aus Bronze auf das Geschehen am Platz, für was sie die Ringe in den Mäulern halten ist mir unklar, für die Schiffe sind sie bestenfalls bei Hochwasser geeignet, für Pferde sind sie zu groß ausgefallen.
Gegenüber auf dem anderen Zwickel zwischen Mosel und Rhein ist der Koblenzer Campingplatz. Auf der Rheinseite gegenüber erhebt sich die Festung Ehrenbreitstein.
Da sieht man wie sich die Zeiten geändert haben.
Drüben die Festung, die Unüberwindlichkeit des Deutschen, hier das Deutsche Eck, der Stolz auf das Deutsche, und dann die Weltoffenheit und Legerness, zu der der Deutsche auch, Gott sei Dank, bereit sein kann.
Ich geh noch in die Altstadt durch wenig liebenswerte Strassen. Und bin überrascht. Als ich vor 30 Jahren das letze Mal da war, gab's sowas noch nicht. Tische und Stühle auf den Strassen und Leben. Und glücklicherweise gibt's einen Wolkenbruch und ich komme zu Kaffee und Joghurtkuchen mit Waldfrüchten und dem ersten Schoppen Moselwein!
Alles geht mal zu Ende, auch ein Patzregen und ein Tag in Koblenz. Am nächsten Tag will ich weiter ziehen. Es treibt mich die Mosel hinauf Richtung Frankreich!
Zum Wohle!
Siegfried
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