18
Juli
2008

Eff-Hellendorf (15. Juli), Koenigsmacker (16. Juli), Kédange sur Canner (17. Juli)

Ihr Lieben,

Jetzt muß ich erst mal korrigieren: 1. Der Ort heißt, glaube ich Eff-Hellendorf
2. Ins Saarland bin ich nicht schon vorgestern eingewandert, sondern erst gestern, und zwar verläuft die Grenze im Wald zwischen den zwei Stegmühlen. Vielleicht hab ich mir deshalb bei der Wegfindung ein bißchen schwer getan.

Heute hab ich eigentlich die besten Voraussetzungen für einen gemütlichen und dabei höchst ereignisreichen Tag gehabt. Ich war schon mindestens fünf Kilometer weiter als geplant gegangen, und ich war unmittelbar vor der französischen Grenze.

Ich ging also guter Dinge und in Erwartung eines gemütlichen Tages los.

Ich überschritt die Grenze wenig spektakulär, aber ein bißchen gefeiert habe ich natürlich schon. Ich setzte mich genau auf das Markierungskreuz des französischen Grenzsteins, so dass eine Hälfte meines Allerwertesten in Deutschland, die andere in Frankreich sich aufhielt. Es war ein außergewöhnlicher Augenblick und ein erhebendes Gefühl, sozusagen die deutsch-französische Vereinigung in meiner Person als Sinnbild der Europäischen Gemeinschaft. Deutschland tut in respektvollem Abstand vom Grenzstein in Form eines Schildes kund, dass es da anfängt. Darauf genehmigte ich mir ein paar Schluck Wasser aus meiner Flasche. und dann sah ich in der Ferne ein Pärchen zwischen den Feldern laufen. Einer war, soweit ich das sehen konnte weiß, der andere rot gegleidet, ich meinte auch blau gesehen zu haben, aber das sah ich später nicht mehr. Vielleicht wars der Himmel oder meine Einbildung, aber durch das leuchtende Blau-Weiß-Rot des Pärchens fühlte ich mich wie mit der Tricolore begrüßt!

Was mir auffiel: Die Getreidefelder kümmerten sich nicht um die Grenze. Ich hatte erwartet, wenigstens an einem Feldweg würde ich den Grenzverlauf im Gelände erkennen. Aber da war nichts. Und wie man sichs in Frankreich vorstellt, es waren lauter Weizenfelder, die Basis der köstlich knusprigen Baguettes.

Später habe ich auch wieder Gerstenfelder gesehen. In Deutschland war's getreidemäßig ziemlich gemischt, wobei ich den Eindruck hatte, dass Gerste und Roggen vorherrschen und natürlich Raps. Bald war ich im nächsten Ort: "Merschweiller". Hört sich richtig deutsch an, auch der nächste Ort "Kitzing". Da ich ein wenig aufgeregt war, fand ich, obwohl nur drei Strassen in verschiedenen Himmelsrichtungen aus dem Ort führten, nicht die richtige und lief in einen Bauernhof. Und so kam es zur ersten Kontaktaufnahme. Eine Frau war in einem Gärtchen beschäftigt. Sie war nicht blau-weiß-rot angezogen sondern genauso wie die Leute bei uns, wenn sie im Garten arbeiten. "Excusé Madame, je cherche la route à Kitzing". Sie war sehr nett, wollte mich aber auf das Chateau schicken. Das Chateau, eine Burg in der Nähe ist die Sehenswürdigkeit hier, aber sie steht auf einem Berg und liegt nicht auf meiner Route. Ich hatte beim Fragen "Kitzing" so ausgesprochen, wie mans bei uns tut. Mir kam es einfach komisch vor und übertrieben, es französisch auszusprechen. Aber irgendwie fand ich dann doch eine Form, so etwa wie "Kisseng", die sie, so nehme ich an, als den Nachbarort identifizierte und ich bekam die genaue Wegbeschreibung, die ja nicht so kompliziert war, weil es in die Richtung nur zwei Strassen gab und ich fand mich sogar zurecht.

Durch eine kleinräumige, bucklige Landschaft ging ich weiter, kam über einen kleinen Bach, der "Apach" hieß und der mich gleich Spekulationen über die Abstammung Winnetous, des Apachenhäuptlings, anstellen liess.

Wagemutig verlies ich mich nun auf meine detaillierte französische Karte und schlug mich, nachdem ich die geschätzte Zeit für die Strecke auf der Karte abgelaufen hatte, rechts in den Wald wo ein völlig zugewachsener Waldweg begann. Der Waldweg wurde ansehnlich und ich war stolz! Was bin ich doch einer! Aber nach 20 Minuten war ich keiner mehr. Der Weg gabelte sich, einer wurde von einem Stacheldraht so versperrt, dass er auch nicht zu unterkriechen war, der andere endete in dichtem Jungholz, ich probierte es eine Weile, gab es dann aber auf, als ich bemerkte, dass ich mich schon bald mit dem Rucksack nicht mehr umdrehen konnte.

Also wieder zurück zur Strasse und weiter. Vielleicht 500m weiter war ein kleiner Parkplatz und da führte ein deutlich sichtbarer und am Anfang sehr steiler Weg weg. Und der war markiert! Nicht wie bei uns mit Buchstaben sondern mit Farbpunkten, die ich schon auf einer Hinweistafel gesehen hatte. Und weil hier offenbar drei Wege parallel laufen, gab es auch drei Farben und die waren: ROT,WEISS,BLAU! Ich war auf dem richtigen Weg.

Durch den Wald und über eine Anhöhe kam ich durch das Dorf "Kirsch les Sierck" und nach Durchquerung eines kleinen Naturschutzgebietes nach Montenach. Da ich schon ein wenig müde war, die letzten zwei Tage war ich ja wieder stramm gelaufen, beschloß ich, weil es schon gegen drei war, dort zu übernachten. Ein hübscher Ort, aber wie bei uns, niemand auf der Strasse. Es gab ein kleines Bar-Restaurant, das aber Betriebsurlaub hatte! Das daneben liegende Hotel hatte ebenfalls die Rolläden unten. Nichts wars! Es ging wieder einen steilen Berg hoch, Richtung Kirche wo die richtige Strasse weiter führte. Und was sah ich da! AUBERGE und grosse Reklame, dass es da "foie gras", das bekannte französische Gänsefett gab. Ein Wink des Himmels. Auberge ist meines Wissens das französische Gasthaus, also kann man da auch schlafen.

Ich rein. Ein in gedämpftem Licht gehaltener Raum in nostalgischem Landhausstil. Tische mit dunklen Tischdecken gedeckt, an einigen speisen (man beachte das Wort "speisen"!) Leute, sich leise unterhaltend und dezent auf den "Wilden" schauend, der da verschwitzt und ein bisschen unsicher vor der Theke steht.

Eine Dame, mit zwei mit leckeren Dingen gefüllten Tellern, eilt um die Ecke und sieht mich fragend an. Ich, wegen des Speichelflusses noch weniger sprachbegabt als sonst, frage nach einem Logis für die Nacht. Sie haben keins, sie sind nur ein Restaurant! Ich frage, aber wo kann ich eins finden. Sie sagt, vielleicht in Kerling, sicher in Koenigsmacker. Also weiter. Kerling liegt etwas abseits am Weg, Koenigsmacker ist ein Umweg, da muß ich ins Mosel- (Moselle-) Tal. Schaun wir mal.

In Kerling gibt's ein Restaurant, steht aber nichts von Hotel oder Betten dran und übrigens ist es auch zu. Jetzt die Entscheidung: vom richtigen Weg weggehen und mit großer Wahrscheinlichkeit ein Bett für die Nacht bekommen, oder in den nächsten Ort ziehen und die weiteren Orte, die alle nicht groß waren und daher sicher nichts zum Schlafen bieten würden. Es wurde dämmrig und fing zu regnen an. Ich schlug die Richtung nach Koenigsmaker ein.

Schon im Moseltal fragte ich im ersten Ort eine junge Radfahrerin, die gerade Pause machte, nach einem Hotel. Sie wusste auch keines, aber sie gab mir den Tipp im Restaurant um die Ecke zu fragen. Das war zu wegen Umbauarbeiten.

Ein Stück weiter war eine Autowerkstatt, irgendwie erinnerte sie mich an den Praxl in Ottobrunn. Zwei Männer standen wartend heraußen und betrachteten amüsiert die nicht autogerechte Gestalt mit Rucksack, die sich ihnen näherte. Auch hier fragte ich nach dem nächsten Hotel. Nach aufgeregten Diskussionen und Rückfrage bei der Dame in der Werkstatt, sozusagen bei der Tochter von Herrn Praxl, einigten sie sich auf "Koenigsmacker". Es waren nur noch drei Kilometer an der Landstrasse entlang, eine dreiviertel Stunde, locker, wenn man weiß, dass man dort unterkommt.

Ich kam dort unter und aß das Menue des Tages: Grünen Salat mit Cervelat-Streifen, Rinderzunge (seitdem weiß ich wieder, dass "langue" Zunge heißt) mit Bratkartoffeln und Erbsen und ein Eis. Dazu hab ich mir eine Flasche Weißwein von der Mosel genehmigt und ein bißchen Wasser von Evian. Immerhin habe ich gestern dabei auch mit viel Stimmung die E-Mail an Euch geschrieben!

Nach einem sehr reichhaltigem Frühstück (genauso wie in Deutschland) habe ich mich reisefertig gemacht und an der Theke meine Abrechnung verlangt. Was hier angenehm ist, das Essen wird mit der Übernachtung und dem Frühstück in einem abgerechnet. Diesmal war es – ich vermute es mal – die Seniorchefin persönlich, die perfekt den Computer und das Kartenterminal bediente.

Nun fragte ich sie (und das will ich in Zukunft immer tun) nach dem nächsten Hotel auf meiner Route in bis zu 20 Kilometer Entfernung. Das wäre in Kedange sur Conner. Weiter konnte sie mir nicht helfen. So würde es ein leichterer Tag sein, denn bis dahin sind es nur um die 13km, allerdings immer an der Landstrasse entlang und immer ein bisschen aufwärts.

Schon um kapp vor Eins war ich dort. Vorher kommt man noch an Wegweisern zur "Ouvrage de Hackenberg" vorbei, im Verlauf der Maginot-Linie, da ich nicht genau weiß, was das ist (ouvrage fr. 'Bauwerk') ist das ein Bauwerk, das mit der Maginot-Linie zusammenhängt, eines heiß umkämpften Abschnittes im Zweiten Weltkrieg. Wie ich grade mit Hilfe von Google rausgekriegt habe, wurde dieses Verteidigungssystem unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg angelegt. Also Leute, ich brauch's nicht weiter zu beschreiben. Seht bei Google nach!

Ich jedenfalls checkte schon um 13 Uhr im "Hotel le Canner" ein. Da das Zimmer noch nicht fertig war, ging ich noch verschwitzt und ungeduscht, aber ohne "sac" spazieren und begann in der Sonne auf einem Steinbankerl sitzend diese Geschichte.

Ich ging noch an der Kirche vorbei, dem Friedhof, der ganz nah an die Kirche geschmiegt ist mit seinen alten Sandsteingrabmälern, schaute auch in die Kirche hinein, die ziemlich düster ist, und sehr einfach aber liebevoll gepflegt.

Glaube ist überall präsent. Es gibt viele alte Wegkreuze oder "Marterl" wie man in Bayern sagt. Und sie sind meistens gepflegt oder mit einem Eisengitter gut geschützt. Und die Kirchen melden sich alle Viertelstunden mit einem sich zur vollen Stunde hin steigernden kleinen Glockenspiel zu Wort.

Wenn ich mich nicht irre, hörte ich aber auch schon in Saarburg oder einem anderen Ort in Deutschland alle Stunden zum Anfang der neuen Stunde das Lied: "Erde singe, dass es klinge..." Leute, Ihr werdet es nicht glauben, aber manchmal kommen mir Tränen in die Augen wenn mir bewusst wird, was ich alles erleben darf!

Dann aber duschen, ein bisschen Hinlegen, sozusagen ein kleiner Ruhetag, mit Freude Euch diese E-Mail schreiben und Abendessen gehen: Le Diner!

Jetzt weiß ich's endlich:
petit déjeuner Frühstück
déjeuner Mittagessen (12 bis 14 Uhr)
diner Abendessen (19 bis 21 Uhr)

Und wenn ich morgen zu Abend gegessen hätte, es hätte als Spezialität im Sonderangebot gegeben: Cuisses de Grenouilles (Froschschenkel)!

Ich umarme Euch und küsse Euch mit rotweinfeuchten Lippen
Siegfried



PS: Jetzt wollt Ihr sicher noch wissen was ich zu Abend gegessen habe!

vin rouge Rotwein 1/2l

de l'eau Wasser 1/2 l

Menu campagnard:

Das war ein Silbertablett, ca 50x25cm groß, gefüllt mit

Roher Wurst, ähnlich Salami
einer dicken (1cm) Scheibe Schweinewurst mit Aspik
Einer dicken Scheibe französ. Landwurst, (campagnard),
mehrere Scheiben Schinken,
Kartoffelsalat in Majonaise,
Kartoffelsalat mit gelben Rüben und Majonaise,
Gelbe Rüben Salat,
Grüner Salat,
Gurken in Scheiben,
Und ein paar Cornichons,
Dazu Quark mit grünen Kräutern angemacht,
Bratkartoffeln,
Und natürlich Landbrot, hell, aber kein Baguette.

Als Nachspeise genehmigte ich mir noch un petit café noir (Espresso).

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