22
Juli
2008

Vandières (20. Juli)

Manchmal denke ich, es würde Euch und mir irgendwann langweilig werden, wenn ich immer nur von meiner Wanderung schreibe und dann bin ich selbst überrascht was man an so einem Tag, der so ganz gewöhnlich anfängt, alles erleben kann.

Als Ihr heute am Sonntag möglicherweise noch alle im Bett gelegen seid, um Euch für einen neuen Arbeitstag zu stärken, oder, was ich eher annehme, weil Ihr zu faul wart aufzustehen, ging ich schon unternehmungslustig zum Frühstück im Grand Hôtel de Metz. Und nach Kakao, Kaffee, Baguette mit Schinken, Wurst und Käse, Croissant mit Marmelade, Müsli mit Creme fraiche und Honig und einem Pain au Chocolat sowie einem Glas Orangensaft fühlte ich mich gestärkt mir den Rucksack aufzubürden und los zu wandern (geht mal hungrig ins Bett und freut Euch morgens auf so ein Frühstück, dann steht Ihr ganz sicher auch früher auf!).

Mein Weg zur Mosel, wo der markierte Wanderweg beginnt, führte mich an der Kathedrale vorbei und ich wußte, dass um 9.00h Messe ist. Nicht die Schwalbennestorgel wurde gespielt, sondern die moderne Orgel im rechten Flügel der Vierung. Bei Wechselgesängen ging der Vorsänger im roten Talar ans Pult und dirigierte mit großen Bewegungen des linken Armes und der linken Hand den Gesang der Gemeinde. Diese Gesänge kenne ich schon aus München, sie sind zeitweise in der Zeit meiner Jugend in unserer Pfarrei gesungen worden, sie sind melodischer als die heute in unseren Kirchen gesungenen. Im Gottesdienst erst erlebt man so einen Raum, wie er von seinen Erbauern und Gestaltern, auch den modernen, – Altar, Ambo, Kreuz, Kerzenleuchter und Sitze sind von einem Schweizer Designer entworfen, – gedacht ist. Beim Friedensgruß hat mir ein Araber die Hand gedrückt.

Um 10.00h machte ich mich bei Glockengeläut auf den Weg. An der Mosel, auf der linken Seite (moselabwärts gesehen die rechte Seite!), beginnt der Wanderweg nach Nancy, der auch mein Weg ist. Es sind schon viele Lebewesen unterwegs: Spaziergänger, Radfahrer, Jogger, Schwäne, Leute mit Hunden.

Irgendwann geht's über eine Brücke und da wäre ich plötzlich nicht mehr an der Seite, sondern zwischen irgendwelchen Armen der Mosel. Ich studiere meine Karte. Ein Ehepaar spricht mich an, es geht tatsächlich zwischen Kanal und Mosel weiter. Nach einiger Zeit bleibt das Ehepaar stehen, sie waren schneller als ich, und erklären mir nochmals den Weg. Nun nehmen sie mich in die Mitte, damit ich ja nicht falsch laufe und weiter geht's. Die Frau erklärt mir, sie gingen jeden Morgen diesen Weg nach Metz und zurück, sonst bekäme sie so einen "bouche" und sie formt den möglichen Umfang ihres Bauches mit den Händen in die Luft.
An einer Stelle wo ich mich nach ihrer Meinung nicht mehr verlaufen kann, entlassen mich die beiden und wir nehmen herzlich Abschied. Sie gehen nach Hause, ich gegen Süden.

Ich gehe immer weiter am Kanal entlang und entschließe mich an einer besonders schönen Stelle ein Foto zu machen. Ein Jogger kommt entgegen. Schnauft ziemlich erschöpft, bleibt stehen und kommt zu mir. Er sei der "président" des Weges von Nancy nach Metz und wenn ich immer den gelben Markierungen nach ginge käme ich sicher auf den .....-Platz in Nancy.

Er läuft weiter, ich gehe weiter, jeder in seine Richtung. Wenn ich der Sprache besser mächtig wäre, hätten wir sicher einiges diskutieren können. Obwohl, das muß ich sagen, der Weg von Metz nach Nancy sehr gut und ausreichend mit einem gelben und ockerfarbenem Streifen gekennzeichnet ist. Aber wie sich die das mit den Übernachtungen vorgestellt haben möchte ich gerne wissen. Ein normaler Mensch müßte auf dieser Strecke mindestens 3x übernachten, aber es gibt offenbar keine Angebote; aber lassen wir das Sinnieren, die Praxis ist mein Metier.

Mit Hilfe der Recherchen von Geneviève wußte ich, dass in Pont à Mousson ein Hotel ist, sonst war unterwegs nichts zu finden. Also war Pont à Mousson das Tagesziel.

Wie überrascht war ich, als ich in Vandières, hier wo ich jetzt sitze, eine Auberge sah, die auch Pension anbot. Und auf dem Schild steht auch noch "Gasthaus"!

Da ging ich hinein, es war noch 5km bis Pont à Mousson, die konnte ich mir so heute sparen.
Eine Theke, ein gut gebauter jüngerer Mann, so der Typ Thorsten hinter der Theke, lautstark mit den Männern vor der Theke diskutierend. Ich bringe meinen Wunsch dezent, zwischen den Männern an der Theke stehend, – meine Stimme ist nach der Einsamkeit der Wanderung eher weggetreten, spirituell, – vor. Er, der Herr hinter der Theke schaut einen gemütlichen Herrn, etwas rundlich, im weissen Trikot, mit wallendem weissen Bart an, der nickt: ich bekomme das Zimmer. Jetzt kenne ich offensichtlich den Papa auch.
Ich werde gefragt ob ich auch zu Abend essen will und zu welcher Zeit. Maman! ruft der Juniorchef und die Zeit wird mit Maman abgestimmt.

Oft höre ich noch den Ruf "Maman", die Mama ist offenbar die Drehscheibe des Betriebes. Und da gibt's noch eine stille, freundliche Frau in einem orangefarbenem Kleid. Sie seviert, ist mal hinter der Theke, rechnet mit Gästen ab, offenbar die Juniorchefin mit dem nötigen Humor, wenn ich bei einem Maman-Ruf aufschaue lächelt sie mir vielsagend zu.
Es ist auch viel Betrieb. Im Saal gibt es eine große Familienfeier. Und die Kinder, die laufen können spielen verstecken und manchmal ist auch mein Tisch ein Versteck.
Gegen 1/2 9h schließlich ist die Familienfeier zu Ende und ich und weitere Pensionsgäste bekommen ihr Diner.

Aber erst muß ich ein Bier trinken, vom Haus gestiftet, und dann trink ich noch eins, wie sich bei der Abrechnung herausstellt, auch gestiftet. Übernachung mit Frühstück und Diner, das werd ich noch beschreiben, kosten "tout complet" 44€. Mit Wein und ein paar Extras hab ich dann etwas über 50€ bezahlt.

Vom Bier und der langen Wanderung, es waren ja doch knapp 30km, leicht beduselt, werde ich auf mein Zimmer für diese Nacht geleitet. Ein großer Raum mit Stuck an der Decke, in der Mitte eine Stuckrosette, in der ehemals der Kronleuchter aufgehängt war. Ein überbreites Bett, mit farbig gemusterter Tagesdecke zugedeckt. Darunter ist eine Decke in einen weißen Überzug eingeschlagen. Damit man ins Bett kommt muß man erst die Tagesdecke zur Seite schlagen, dann die Decke und den Überzug unter der Matratze rausziehen, damit ziehe ich auch, vielleicht bin ich in dieser Hinsicht etwas ungeschickt, das Leintuch raus und schon schaut alles sehr benutzt aus!
Wie gesagt, das war auch im Grand Hotel in Metz so, und das hat die resolute Schwarze nachmittags wieder in Ordnung gebracht, kaum dass ich aus dem Bett gesprungen war.

Das gabs zum Diner:
1. Crustices, gemischte in Öl angemachte Rettich, Salate, Tomaten und etwas mit Fleisch. Mit frischem Baguette.
2. Canard Entenfilets in Scheiben geschnitten zu Pommes frittes mit einer guten leichten Sauce
3. Fromage, ein ganzer großer Teller voll von unterschiedlichen Käsesorten erst dachte ich das schaffe ich nicht, aber so wars auch nicht gedacht. Man sollte sich etwas von dem was man möchte auf den Teller tun. Ich bin, weil ich den ganzen Teller im Auge hatte, etwas zu kurz gekommen! Bald war der Teller wieder weg! Das nächste Mal weiß ich's.
4. Dessert, ich habe ein Stück Obstkuchen gewählt
5. Café noir, Espresso
Zum Ganzen genehmigte ich mir 1/2l Côtes du Rhone und Wasser.

Gell da schauts und seids neidig! Das ist das Abendessen in einer ganz einfachen Auberge.
Gut gelaunt, gestärkt, aber nicht mehr fähig Euch dies zu schreiben stieg ich die steile Treppe hoch zu meinem Etablissement und schlief den Schlaf der Gerechten, der Satten, der Erschöpften und der ein wenig beduselten.

So ist er,

Euer Siegfried

Kommentare

1. Christine
Ja, ja, die Franzosen haben eine besondere Art ihre Betten zu machen! Als ich zum Schüleraustausch in der neunten Klasse nach Frankreich kam, schlupfte ich unter sämtliche Laken, die unter der Matratze reingequetscht waren, wie in einen zu engen Schlafsack, weil ich mir nicht vorstellen konnte, das Ganze mit Karftaufwand rausziehen zu müssen. Wundere mich, dass ich da überhaupt Luft gekriegt habe... Lieber Siegfried, da siehst Du mal, wie Du mit Deinem Bericht meine Erinnerung ankurbelst! Bleib g'sund und lass Dir's weiter schmecken!

2. Bernhard
Lieber Siegfried, ich finde es faszinierend, wie du jeden Tag Neues erlebst, und wie sich alles immer wieder zum Guten wendet. Vielleicht beweist uns dies ja doch, dass wir nicht so allein sind auf unseren Wegen, wie wir manchmal glauben mögen.

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