Domremy la Pucelle (25. Juli)
Meine Lieben,
Meine erste Nacht im Freien habe ich hinter mir, es war sehr romantisch.
Nur konnte ich meine Arme nicht ausstrecken, wie ich's gerne tue, sie waren im Schlafsack gefangen, und wenn ich sie aus dem Schlafsack raustat, lagen sie im Gras und das wollte ich auch wieder nicht. Manchmal bin ich beim Umdrehen auch von meiner Isomatte gerutscht und das Kopfteil des Schlafsackes war immer da, wo mein Kopf nicht war.
Praktisch ist der Beutel mit der Unterwäsche als Kopfkissen, da hat man wenigstens was, wo man sich festhalten kann. Natürch habe ich da nur die gewaschene Wäsche drin.
Ich schlief in Abschnitten, so hatte ich zwischendurch immer wieder Zeit, den Himmel und die Sterne zu betrachten und gegen Morgen den Sonnenaufgang.
Der holländische Vater mit seinem Sohn hatten ihr Zelt so leise abgebaut, dass sie, als ich dann aufwachte, schon reisefertig waren.
Da es im Ort nichts gibt, bin ich den Kilometer nach Greux gegangen, wo ich in der Bäckerei Schokolade trank und ein Schokoladencroissant und ein Blätterteigetwas mit Apfelfüllung dazu aß. Für Mittag nahm ich ein Baguette, ein Glas Rillettes und eine Flasche Orangensaft mit. NIX WEIN!
Da ich schon mal in Domremy bin und mich so darau gefreut habe, habe ich mich in einer nächtlichen Schlafpause entschlossen, hier meinen Ruhetag einzulegen und ohne zu hetzen das Haus Jehannes zu besuchen und auch die Ausstellung.
Das Haus steht nur 10 Meter neben der Kirche in der sie getauft worden ist. In einem modernen Informationsbüro wird man von netten Damen begrüßt, von denen einige auch Deutsch sprechen. Das Geburtshaus ist klein und hat ein Pultdach. Im Erdgeschoß gibt es vier kleine Räume, von dem einen Raum aus, durch den man hereinkommt werden die anderen erschlossen, wobei eines der beiden Kinderzimmer wieder durch das andere gefangen ist.
Laut der Beschreibung haben Jehanne und ihre Schweater in dem einen der kleinen Räume geschlafen, ihre Brüder im anderen. Der Raum, durch den man hereinkommt, wird der Gemeinschaftsraum gewesen sein, wo sich alles was man gemeinsam tat abspielte. Der vierte Raum ist auch vom Gemeinschaftsraum zugänglich, hat aber eine zusätzliche Tür nach außen. Ich könnte mir vorstellen, dass das ein kleiner Stall war, dann hätten die Eltern ein Zimmer oben haben müssen. Eine Treppe geht von diesem Raum hoch.
Dann kann man noch Videos über das Leben und den Prozess ansehen, einer erzählt anhand von Kinderbuchbildern das Leben, in einem anderen werden die Anklagen des Prozesses von Schauspielern vorgetragen, die sich Jeanne immer wieder in den Weg stellen. Man sieht das mit den Augen von Jeanne, Jeanne sieht man nicht, nur ihre Antworten hört man. Leider hab ich davon nur wenig verstanden, aber die Darstellung hat mich beeindruckt.
Die Ausstellung ist wie ein Weg gestaltet und zeigt in vielen historischen Bildern die Umwelt, das Leben und die Gedankenwelt des ausgehenden Mittelalters.
Als Höhepunkt der Ausstellung gilt ein "Theater" mit lebensgroßen historisch gewandeten Puppen, die die wichtigen Personen dieser Zeit darstellen. Ein Sprecher erzählt und die jeweils handelnde Puppe wird angestrahlt.
Somit war der Vormittag vorbei, ich stürzte mich über mein opulentes Mittagsmahl: Baguette mit Rillette, Jus d'Orange und als Nachspeise einen Pomme.
Füße hochlegen bzw. Oberkörper zu den Füßen runterlegen. In der Zwischenzeit hab ich dieses Gerät im Waschraum aufgeladen und gehofft, dass es nicht verschwindet und nun sitze ich da und schreibe. Aber was ist alles in den letzten Tagen passiert?
Nach einem Frühstück mit Croissant und Kaffee auf dem Campingplatz bin ich von Liverdun aus nach Toul aufgebrochen und war um ca. 15.00h dort. Erst geht es wieder lange durch Strassen mit Häusern und wenig los, vor allem auch nichts, das nach Essen und Übernachtung aussehen würde. Aber plötzlich steht man vor einem niedrigen Wall, nach außen als Natursteinmauer, nicht hoch, so etwa drei bis vier Meter, außen ein breiter Wassergraben. Im Bereich der Strasse ist der Wall durchbrochen und man kann rein.
Am Plan habe ich gesehen, dass die ganze Altstadt von ihm auch heute noch umschlossen ist, an einer Seite bildet die breite Mosel, ja die ist da auch noch da, den Graben.
Die Kathedrale oben auf einer Anhöhe in der Altstadt, aber nicht in deren Mitte, ist, anders als in anderen Städten schon relativ weit zu sehen. Also gehe ich gleich dort hin, auch weil die Info dort ist. Auch diese Kathedrale gewaltig, gothisch, aber nicht ockerfarben wie in Metz sondern grau. Und die Westseite, die Eingangsseite ist viel reicher gegliedert als bei den großen Kathedralen die ich bis jetzt gesehen habe.
Ein kleiner Platz davor, aber fast keine Leute. In der Kirche ein kleiner Infostand mit zwei netten Mädchen, die gleich telefonieren und mir eine Herberge nennen, aber ich kann erst zum "Ende des Nachmittags" d.h gegen 6 Uhr rein.
Ich habe viel Zeit die Kathedrale anzusehen, nur eine Frau ist noch mit im Raum und läuft still umher. Was für eine andere Stimmung als in den von Schaulustigen durchwanderten großen Gotteshäusern!
Aber auch da stimmt was nicht. Von Andrea und Anke erfahre ich später, dass hier keine Gottesdienste mehr gefeiert werden.
Ich sehe, dass in den beiden Seitenschiffen Netze unter die Decke gespannt sind, um vor herabfallendem Putz zu schützen, ich sehe auch den Staub auf Figuren, Altären und Möbeln.
Der Innenraum wirkt anders als in den anderen Kathedralen, ernster, kühler, vielleicht kommt es von der grauen Farbe, vielleicht aber auch daher, dass der Altarraum mit weißem Marmor umkleidet ist. In Kassetten gibt es allerdings farbige Bilder. Auch mehrere Seitenaltäre sind in Marmor ausgeführt, und es scheint, dass auch Wandflächen der Seitenschiffe verkleidet waren.
Also suche ich nach einem belebten Platz und einem Cafe. Es geht durch verwinkelte enge Gassen, malerisch, romantisch, aber fast ausgestorben. Schließlich finde ich den "Place ronde", Cafés, Bistros, Leute, Verkehr, auch das tut mal wieder gut! Ich trinke Chocolat, weil ich gemerkt habe, der viele Kaffee tut mir nicht so gut, und breche zu meiner Herberge auf. A.R.C.H.E. heißt das Haus. Zwei Frauen heißen mich willkommen und zeigen mir das Zimmer. Aber erst solle ich noch einkaufen gehen oder zum Essen. Ich gehe einkaufen bei CORA, einem Supermarkt und komme mit Baguette, Pâte capagnard, Käse, Honig, Wasser und einer Flasche Wein zurück, vor allem der Wein erstaunt die beiden, es ist ja nur ein Abend. Ich lade die beiden zu einem Gläschen ein, aber nur eine nimmt an, die andere trinkt Wasser. Marie-Louise ist Elsässerin und spricht perfekt Deutsch. Die beiden sind Ordensschwestern, Marie-Louise vom Orden "der Göttlichen Vorsehung, Rappoldsweiler", die andere vom Orden "Jean-Paul".
Das Haus in dem ich nächtige ist eine Herberge für Angehörige von Gefangenen, die ihre Leute in einem der beiden Gefängnisse besuchen. Daei werden sie auch sozial und psychisch betreut. Das ist ein Problem, an das ich noch nie so gedacht habe. Das Leid und die Probleme, die über die Familien hereinbrechen, wenn ein Angehöriger ins Gefängnis muß, schuldig oder unschuldig.
So, jetzt wird noch geklärt, dass ich keine Bettwäsche brauche, ich habe ja ein Inlett, und die beiden bleiben auch im Zimmer als ich meine Schuhe ausziehe. Die Schwester von "Jean-Paul" eilt zum Fenster und sagt was, Marie-Louise sagt was beruhigendes von "ganzem Tag", das Fenster bleibt dezenterweise geschlossen, ich machs dann natürlich auf.
Ich speise ausgiebig und schreibe Euch auch ein bisschen dabei und die Flasche Wein wird dabei leer. Um 1/2 10h werde ich von den beiden lieben Schwestern, die erstaunt sind, dass die Flasche schon leer ist, ins Bett geschickt.
Das habe ich jetzt am Schluß im Waschraum auf dem Campingplatz von Domremy geschrieben, an meinem Schlafsack hab ich keine Steckdose!
Euer Siegfried