02
Aug.
2008

Colombey les Deux Eglises (2) (29. Juli)

Jetzt, nachdem ich wieder im Bett liege, noch ein paar Gedanken zum Tag und vor allen Dingen die Schilderung des Diners, also des Abendessens, das ich auf der Terrasse, wie die anderen Gäste, genossen habe.

Es gibt hier eine "Soirée d'étape", das heißt, das Abendessen wird pauschal mit der Übernachtung abgerechnet. Man bekommt also ein festgelegtes Menue, nur Getränke und sonstige Extras muss man zuzahlen. Wieviel das jetzt kostet, weiß ich noch nicht, aber es ist in jedem Fall günstiger, als sich sein eigenes Essen zusammenzustellen.

Als Vorspeise gab es einen Salatteller mit fünf verschiedenen Salaten. Frisches Baguette – breit geschnitten, so dass man das Brot brechen muss, um es essen zu können – wird sowieso schon vor dem Bestellen auf den Tisch gestellt.

Als Hauptgang gab es Bandnudeln mit kleinen Lachsschnitten in einer leichten süß-sauren Rahmsauce. Dann im Nachgang fromage: kleine Portionen Käse in dreierlei Sorten, mit Rosinen garniert, die prima dazu geschmeckt haben.

Nachspeise war eine "Tarte de raisines", ein Stück Kirschkuchen, sehr saftig, mit Vanillesauce. Ich genehmigte mir dann noch einen petit café, also eine Art Espresso, der aber doppelt so viel ist wie beim Italiener, dafür weniger stark.

Zum Ganzen habe ich einen halben Liter Rotwein und Wasser getrunken. Und Ihr seht, wie das wirkt! Gleich bin ich wieder ein ganz anderer Mensch.

Ich weiß, dass ich privilegiert bin und mir leisten kann einzukehren und auch mal gut zu essen, was viele andere nicht können. Aber dafür bin ich schon alt, und ich hätte auch nicht mehr die Kraft und den Mut, mich in dieser Beziehung noch grundlegend zu ändern. Wenn man das längere Zeit macht, was ich gestern gemacht habe, verwahrlost man zwangsläufig, zumindest im Äußeren. Alles was man am Leibe hat ist nass, auch die Unterwäsche. Man kann sich nicht waschen, weil selbst das Handtuch nicht mehr trocknet. Und wenn man dann in einen Gasthof kommt, wird man sehr aufmerksam gemustert.

Andererseits haben die hier – im Gegensatz zum Beispiel zu Metz – keinerlei Sicherheit verlangt, ja, nicht einmal meinen Namen. Vielleicht ist's doch noch nicht so schlimm mit mir.

Ich hatte heute Vormittag tatsächlich in Erwägung gezogen, ein bißchen zu schwindeln und bis Vezelay mit der Bahn zu fahren. Nachdem ich wieder was gegessen hatte, also schon nachmittags, habe ich mir vorgenommen, den Weg weiterzugehen, aber die Wegstrecken so zu verlängern, dass ich immer in größere Städte komme, in denen ich mit größter Wahrscheinlichkeit eine Übernachtungsmöglichkeit finden werde, eventuell auch vorher anrufe oder besser von einer meiner Töchter anrufen lasse. Einmal wäre dann eine Tagesstrecke um die vierzig Kilometer (von Tonnere nach Avallon), das wäre Ende dieser Woche. Schaun mer mal, wie Beckenbauer so schön gesagt hat.

Morgen geht's erst einmal nach Clairvaux. Ich hab keine Ahnung, was mich dort erwartet. Ob es noch eine große Abtei ist, ob die Mönche Herberge geben, oder ob es sonst was gibt.

Also drückt mir die Daumen.

Euer Siegfried

Kommentare

1. Anke
Lieber Siegfried, du brauchst nicht vierzig km bis Avallon zu gehen. In Nitry - etwa auf halber Strecke - gibt es eine Pilgerunterkunft. Das Office du Tourisme in Tonnerre hilft dir sicher gerne weiter. Buen camino Anke

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