Haunsheim
Nördlingen, Demmingen, jetzt bin ich in Haunsheim bei Lauingen. Ich bin im Schwabeländle! Und Lauingen war der erste Ort auf dieser Reise in dem ich kein Quartier bekam. Der Wirt in Demmingen hat mir schon gesagt, dass es in Lauingen schwierig werden würde, weil zur Zeit an die 1500 Monteure am Kernkraftwerk arbeiteten (Revision), die alle Zimmer in der Gegend belegt hätten. Ich hatte es schon vor dem Weggehen versucht und so schon die ersten Absagen erhalten. So suchte mir der Wirt noch weitere Adressen aus dem Telefonbuch raus, aber auch unter denen erhielt ich gegen Mittag nur Absagen. Na und, es muss ja nicht Lauingen sein! Ich rief das Pfannentalhaus an, eine ausgesprochene Wanderherberge des hiesigen Wandervereins: Voll, es ist eine Jugendgruppe da. Ein größerer Ort bei Lauingen und auf meiner Strecke - Hausheim - viel mir auf der Karte auf, mit Google fand ich das Zwergbachstüble, die nette Wirtin sagte am Telefon "ja" und nun sitz ich hier, frisch geduscht, nach einem Mittagsschläfchen, weil die heutige Tour ja nicht lang war, nach Besuch der Renaissance-Dorfkirche und des Friedhofs, dessen Gräber alle mit den dunklen, streng und hart verzierten Kreuzen versehen sind und der dadurch einen ganz eigenwilligen, fremdartigen Charakter hat. Auch hier sind die Kirchen noch evangelisch. Es ist hier wohl die erste Renaissance-Dorfkirche, die ich bewusst erlebe. Alles weiß, mit vorgesetzten Säulen und Ornamenten an den Wänden. Ein schlichtes Holzkreuz hängt im Bogen zum Altarraum. Keine seitlichen Emporen, wie so typisch für viele evangelische Kirchen aber dafür ist die vordere rechte Kirchenbankreihe kosequent nach links zur Kanzel hin ausgerichtet, echt evangelisch halt. Jetzt sitz ich also auf der Terrasse des Zwergbachstübles bei Wasser und Apfelmost und schreib Euch. Nur noch ein Paar mit zwei Katzen an der Leine ist da, das sich mit der Wirtin unterhält. Hier an diesem nun doch denkwürdigen Ort wäre ich nach meinen Wanderungen durch Frankreich mit seinen vielen Hunden hinter Zäunen, durch Spanien mit seinen freilaufenden, friedlichen Hunden, und durch große Teile Deutschlands, das erste Mal von einem bissigen Hund angefallen worden. Ich ging friedlich an einem offenen Gartentor vorbei an dem ein schwarzer Hund in der Sonne döste. Dem gefiel das gar nicht, dass ich vorbeiging, er sprang auf und vor mich hin und wollte mich stellen, was mir wieder nicht gefiel. Ein zweiter Hund weiter hinten im Hof meldete sich prompt, aber kaum um mir zu Hilfe zu eilen. Meine Nackenhaare sträubten sich, aber nicht vor Kraft sondern vor Angst. Sollst Du Siegfried nun so enden? Ich sagte ein beruhigendes Wort und sah dem Hund beim Weitergehen nicht in die Augen, das, habe ich gelesen, fasse der Hund als Demutshaltung auf und er liese ab von einem. Aber der Hund hat das offensichtlich nicht gelesen! Er ging mir ganz heimtückisch von hinten an meinen, schon recht abgemagerten Allerwertesten und ich spürte einen Stupser, aber es schien noch alles dran zu sein. Aber ich hörte Hilfe! "Lässet en go! Do komscht här! " Ich überlebte den Vorfall und der Allerwerteste blieb heil. Und jetzt bekomme ich gleich Maultaschen mit Ei! Lange habe ich nicht geschrieben, manchmal war ich zu müde und hatte keine Lust, manchmal hatte ich vergessen den Akku aufzuladen. NÖRDLINGEN! Nach Nördlingen bin ich von Öttingen aus mitten durchs Ries gelaufen in sengender Hitze zwischen Getreidefeldern auf Feldwegen, zunächst nach der Jakobsmuschel, dann, als ich sie verloren hatte, nach der Sonne und meiner Karte und da man die Orte ringsum gut sehen konnte, wusste/meinte ich genau zu wissen wo ich war, aber da war ich natürlich nicht! Aber schließlich gelang es mir zwischen einem Weizenfeld und dem Schilfgürtel eines Bächleins, möglicherweise nennt es sich "Mauch" durch Disteln, Brennesseln, Kletten und sonst noch was, übersäht mit keimfähigen Samen, in Klosterzimmern wieder menschlich bewirtschaftetes Terrain zu erreichen. Und als ich so da stehe, schnaufend und verschwitzt und näher an eine Tafel heran gehe um zu lesen, was drauf steht, kommen zwei hilfreiche, in langen linnenen, blau gemusterten Kleidern gewandete weibliche Engel und fragen mich, ob sie mir helfen könnten. Ich sage, ich suche den Weg nach Nördlingen und dann nach Rom. Sie sagen, wenn Sie uns erst kennen, wollen Sie vielleicht nicht mehr nach Rom. Sie geben mir frisches Wasser, es ist das erste Mal, dass mir das angeboten wird und einiges zum Lesen und sagen, in Nördlingen würden Mitschwestern ein Café betreiben, ("Prinz und Bettler" beim Reinhardstor) aber heute sei es zu. Aus den mitgegebenen Schriften lese ich, dass die Gemeinschaft von Klosterzimmern das Zusammenleben ohne Klassenunterschiede praktiziert und zu einer weltweiten Gemeinschaft gehört ("Zwölf Stämme") Nördlingen empfängt mich mit Trubel und Polizisten in kurzen Hosen. Es ist Stadtlauf! Und es ist 4 Uhr nachmittags! Über Umwege, da manche Straßen für den Stadtlauf gesperrt sind, erreiche ich mein Logis, genannt "Walfisch", ein Hotel, gleich beim "Daniel" dem Wahrzeichen und der Zentral-Kirche von Nördlingen, das nur noch Übernachtungen anbietet. Der Sohn empfängt mich und ich bekomme ein wohlverdientes Weißbier, die Mutter sitzt in der Gaststube vorm Fernseher, und so bekomme ich das erste Tor der Deutschen gegen Argentinien mit. Die übrigen und die Freude der Nördlinger bekomme ich als Wiederholung mit, als ich abends beim Italiener auf der Terrasse vorm Daniel sitze. Am Morgen gehe ich zwangsläufig noch ein Weilchen neben der Stadtmauer her, von der mir der Wirt erzählt hat, dass es die einzige in Deutschland sei, die ringsum begehbar sei. Durch einen Durchlass geht's in den Stadtgraben und bald bin ich wieder auf dem rechten Weg. Es regnet und ich genieße die Nässe nach den heißen Tagen wie unter der Dusche. Ich komme am Hexenfelsen vorbei, der noch aus der Zeit des Kratereinschlags zu stammen scheint, und der Hexenfelsen heißt, weil dort vor ca. 300 Jahren noch viele Frauen und 1 Mann! wegen Hexerei verbrannt worden sind. Ich komme an einem Gedenkstein auf dem Albuch vorbei, der an eine Schlacht im Dreißigjährigen Krieg zwischen Schweden und dem Kaiserlichen Heer erinnert, schließlich erklimme ich noch die Höhe zu den Resten der Burg Niederhaus, nur weil`s die Wegmarkierung so will. Schöne Ruine aber der markierte Abstieg am Geländer hängend an Felsen rund einen Meter senkrecht nach unten mit Rucksack am Rücken und Wanderstöcken im Mund, ist doch, in der Einsamkeit,- bei dem Regen läuft ja kein normaler Mensch auf so eine Burgruine - etwas abgehoben. Ich überlebe auch den weiteren Abstieg über nassklitschige Felsen und Gerölle und lande bei einem riesigen Sägewerk, neben dessen aufgehäuften sägebereiten Stämmen ich ungefähr einen Kilometer lang staunend vorbei wandere. Dann komm ich wieder auf eine Kreisstrasse und genieße das leichte Laufen auf Asphalt und freu mich manchmal sogar wenn ein paar dicke Motorräder mit schwarz gekleideten, martialisch aussehenden, aber freundlich grüßenden Männlein und Weiblein mit viel Getöse aber souveräner Geschwindigkeit vorbeikommen. Demmingen ist ein kleiner Ort. Der Wirt in Nördlingen hatte mir gesagt, er sei sich nicht sicher, dass das Gasthaus dort noch existiere. Aber schon! Ein junger Wirt, der gerade die Zimmer renoviert hat, und ich bin einer der ersten Gäste, die die neuen Zimmer beziehen. Und ich bekomme einen hervorragenden Rehbraten mit Spätzle! Ein Erlebnis hatte ich noch auf dem Weg von Demmingen hierher. Als ich gerade an einer Gabelung stand, kleine Asphaltstraße links, grüner Feldweg rechts, und meine Karte studierte, kam ein Mann mit Fahrrad vorbei und gesellte sich zu mir und sagte mir, Jesus habe ihm gesagt, mit mir zu reden. Er war ein paar Jahre jünger als ich. Er habe ein tolles, glaubensloses Leben geführt (68er Jahre), aber ein Wort seines Vaters, als er starb habe ihn zum Nachdenken und Suchen gebracht. Er war in vielen Ländern unterwegs und saß auch in Syrien im Gefängnis, weil ihn ein Araber, der ihn erst auf seinem Moped hinten mitgenommen hatte - er war ohne Schuhe, weil sie ihm gestohlen worden waren, auf dem heißen Asphalt und dem dagegen erholsam kühlen Schotter gelaufen - , ihn in sein Haus als Gast eingeladen hatte, ihm seine Tochter zur Nacht angeboten hatte, und da er abgelehnt hatte, ihn vor einem Polizeiposten als israelischen Spion bezichtigt hatte. Er habe in vielen einsamen Stunden Gott gefunden und vieles, was in der Bibel stehe, bestädige seine Erfahrungen.Allerdings habe er Probleme mit dem, was die Kirchen daraus gemacht hätten. Wir hatten ein langes Gespräch, das mir gut tat, dann fuhr er wieder ab und ich ging meinen Wiesenweg und besuchte das am Rand liegende Kloster Maria Medingen und betete in der Kapelle der seligen Margarethe von Medingen.