Acquapendente
Da sitz ich nun um 7Uhr abends zwischen vielen Leuten an einem Platz mit vielen Leuten und Autos auf den Stufen des Rathauses von Acquapendente. Von dieser Stadt habe ich bis jetzt nichts gewußt, sie ist aber sehr alt und immer schon eine wichtige Stadt an der Via Francigena. Wie ich auf einer der Informationstafeln gelesen habe, es steht dort auch auf Deutsch, waren die zahlreichen Wirte in dieser Stadt auch besonders bekannt durch ihre Grobheit. Ich habe Glück und ein gute Albergo gefunden. Wie Ihr schon gemerkt habt, schreibe ich sehr wenig. Mich nimmt die Wanderung diesmal ziemlich her und von der Toscana habe ich nun überviel erlebt. Schöne Ausichten, staubige Wege, immer runter und rauf, keine Orte sondern nur Einzelgehöfte, bellende Hunde und das Zirpen der Zikaden. Auch Vögel singen nicht. Wenn dann in erreichbarer Entfernung eine Unterkunft zu finden ist und man weiß, dass man sie bekommt, hat man wenigstens ein Ziel. Vorgestern war so eine Strecke, über 30km lang: von San Quirico d´Orcia nach Radicofani. Schon im Führer steht, dass dies eine besonders schwierige, anstrengende Tour ist und es kaum Möglichkeiten zum Unterbrechen habe. Aber es waren mehrere Adressen angegeben. Bei zwei bekam ich keine telefonische Verbindung, der Pfarrer, der auch ein Quartier auf dieser Strecke haben sollte, erklärte mir telefonisch auf italienisch wortreich, dass ich in San Quirico übernachten könne, hier habe er nichts. Selbst die Internet-Recherchen die Geneviève in München für mich anstellte, halfen nichts. Und die Hinweistafeln zu den zahlreichen Agritourismo-Höfen auch nicht, ich kann nicht mal kurz 5km laufen um zu fragen ob ich hier übernachten könne. Und so lief ich. Als sich die Sonne so langsam zum Untergehen entschloß, ich lief grade auf der alten Via Cassia, schaute ich mich nach einem Naturbett um. Und da waren stufenförmige Hangbefestigungen aus in Körben gepackten Natursteinen: so ein Absatz war durchaus verlockend, wenn ich alles was ich habe drunterlege, wärs vielleicht zum Aushalten. Das stachelige Grünzeug, das überall in der Toskana den Boden bedeckt, lädt ja nicht zum hinsitzen, geschweige hinlegen ein. Da bekommt man richtig Sehnsucht nach einer safti grünen weichen Wiese. Ich gehe also noch weiter, um schon um 6Uhr ins Bett zu gehen, ist das Bett zu wenig einladend. Ich komm nun an die neue Via Cassia und muß ein Stück an ihr laufen, in Gemeinschaft von vorbeirasenden Autofahrern, aber wenigstens nicht mehr allein. Aber siehe da, eine Tankstelle, da kann ich mir wenigstens noch was zum Essen kaufen. Ein Fremdkörper läuft über den weiten Vorplatz Richtung Tanksäulen. Eine Attraktion! Aber: Eine Vision! Es gibt auch ein Albergo (Motel) Ich werde aufgenommen, bekomme ein wunderbares Essen zwischen vielen Leuten - die Italiener speisen offenbar gerne in Albergos an Tankstellen. Da gibt's wirklich gute itaenische Küche und es sind Nicht Durchreisende, wie Bei uns, die hier essen, sondern Leute aus der Umgebung, die sich hier zu einem ausgedehnten Abendmahl treffen. So und jetzt geh ich zum Essen, es ist 8Uhr. Und wenn ich´s schaffe werde ich um 9Uhr im Dom noch ein schönes Konzert anhören. Die Welt kann auch schön sein.