05
Juni
2012

Burg auf Fehmarn (4. Juni)

Gestern, am Sonntag, bin ich gemütlich von der Jugendherberge – die ja vor Dahme liegt – Richtung Dahme los marschiert. Ich hatte vor, in der katholischen Kirche vorbeizuschauen, die in etwa auf dem Weg liegt. Und was seh ich da? Gegen 9:30 Uhr zündet ein rühriger Mann unzählige Kerzen an, rückt Stühle zurecht, trägt Bücher hin und her. Ich schließe daraus, dass bald ein Gottesdienst sein wird – also um 9:30 Uhr, aber niemand ist da außer mir und noch einer Frau, die anscheinend auch nicht genau weiß wie's weiter gehen wird. Beim Reingehen glaubte ich gelesen zu haben, dass um 9:30 Uhr Messe ist. Aber die Zeit verstrich, und außer dem, was der aktive Mann alles tat, änderte sich nichts. Bis ein weiterer Mann mit einem großen Koffer kam, und dann plötzlich ein lautes "Schschsch, peng, peng, eins, zwei, eins, zwei" aus den Lautsprechern erschall, und dann fingen die kleinen Glocken mit hohem Ton zu läuten an, mindestens eine Viertelstunde lang, und dann kamen plötzlich viele Leute und der Gottesdienst begann Punkt 10.

Ich versuchte mitzusingen, aber außer einer hohen Fistelstimme oder einem versuchsweise unter den hörbaren Frequenzen angestimmten Ultrabass kam nichts heraus. Trotzdem reichte mir meine Nachbarin beim Friedensgruß die Hand.

Ja, liebe Leute, während Ihr vielleicht noch genießerisch beim Frühstück sitzt oder schon lüstern die erste Flasche Bier zu den Lippen führt, versucht der Wanderer beim Gottesdienst in Dahme in Holstein ein Lied zu singen und ein gutes Wort für Euch beim Herrgott einzulegen. Vielleicht wird er doch langsam ein Pilger!

Anschließend pressierte es mir allerdings: Ich hatte ja noch einen 20 km langen Weg vor mir.

Erst gings lange auf dem oder am Deich entlang, dann wieder ins Landesinnere, und beim Abkürzen landete ich wieder einmal prompt in einem Jachtclub ohne Ausgang in die Richtung, in die ich wollte.

In Grossenbrode fragte ich eine ältere Dame, die mir in diesem Moment kundiger schien als mein GPS, nach dem weiteren Weg. Und sie erklärte mir, sie sei vor 60 Jahren das letzte Mal hier gewesen und es hätte sich viel verändert. Sie war im Krieg Funkerin gewesen. In der Nähe war damals ein Flugplatz. Aber sie konnte mir den Weg zeigen und kannte das Gasthaus "zum Alten Krug" , in dem ich mich angemeldet hatte, als das älteste Gasthaus am Platze.

Und nun passierte wieder etwas zum ersten Mal: Das Gasthaus war geschlossen, unter der angegebenen Tel-Nr war nur ein Anrufbeantworter. Auch ein Pilger wird dann ein bisschen sauer!

An vielen Häusern in dem kleinen Ort vor der Fehmarnbrücke stand "Zimmer frei". Also läutete ich. Eine alte, distinguierte Dame öffnete und schon als sich unsere Augen trafen erkannte ich: Ich gefalle ihr nicht! Sie schlug mir vor, in ein Hotel zu gehen. Wenn ich das gewesen wäre, für was sie mich hielt, wäre das ein schlechter Rat gewesen, aber ich ging dann doch dort hin, und ein freundlicher Opa mit einem lebendigen 3-jährigen Enkel empfingen mich.

Am nächsten Tag hatte ich vor, mit der Fähre den Sund zu überqueren, um die berühmte Brücke anders zu sehen als die Autofahrer. Es gibt ja extra einen Ortsteil "Grossenbroder Fähre", aber die Fähre gibt es seit 15 Jahren nicht mehr, erklärte mir ein Hamburger im kleinen Jachthafen. Er hatte den Bau der Brücke miterlebt und erzählte mir auch noch vieles über die neuen Projekte, wie einem Tunnel zwischen Puttgarden und Dänemark.

Ich drehte eine Ehrenrunde um die Auffahrtsrampe zur Brücke und unter der Brücke durch und war gegen Mittag etwa wieder da wo ich am Morgen um neun begonnen hatte, allerdings auf der anderen Straßenseite.

Über die Brücke ist's sehr windig, der Wanderer geht schief! Weit unten, meint man, strömt das Meer. Kreuzende Segelschiffe sieht der Siegfried das erste Mal von oben. Aber schließlich erreicht er doch Burg auf Fehmarn und ist erstaunt über das lebendige, lustige kleine Städtchen.

In der Frühe habe ich das erste Mal nach Dänemark telefoniert und in Malibo eine Übernachtung reserviert. Es hat funktioniert, und die freuen sich auf den Walker!



Zum Deich von Dahme (Bild)

Der Deich (links im Bild) nördlich von Dahme wurde neu angelegt. Die Bepflanzung – ein spezielles Gras – ist gerade beim Sprießen. Zwischen Deich und Meer ist hier die natürliche Dünenbepflanzung erhalten und steht unter Naturschutz (rechts im Bild). Ganz rechts (nicht sichtbar) ist das Meer.

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