18
Juni
2012

Helsingør (17. Juni)

So, jetzt sitze ich schon im Vandrerhjem in Helsingør! Trotz meiner guten Vorsätze sind schon wieder ein paar Tage vergangen ohne dass ich was geschrieben habe.

Die Herberge in Kopenhagen hatte ich am frühen Nachmittag erreicht, sie lag nicht im Zentrum, so konnte ich auch einmal mit dem Bus fahren. "Rådhusplads" kann sogar ich mir merken.

Einen Eindruck von der Größe der Stadt hatte ich schon beim Reinwandern an einer der großzügigen Einfallstraßen bekommen, breit, vierspurig, beidseitig mit grosszuegigen Fahrradwegen und etwas mikerigen Fußgängerstreifen. Der Fußgänger läuft auf zwei Streifen großer Betonplatten, die durch einzeilige Streifen aus Granitsteinen getrennt und eingefasst sind. Der Radweg daneben ist geteert. Der Radwegist schön eben, der Fußweg lebt, die Platten haben sich gesenkt und gehoben, die Büsche am Rand wollen auch was von ihm haben. Und so läuft der wackere Wandersmann gern auf der Radlerbahn und springt eilig auf den ihm zugewiesenen Pfad, wenn Unheil naht in der Form eines sehr schnellen Zweirades. Und die Dänen fahren alle, als sind sie bei der "Tour de France". Die jungen Mädchen, die alten Omas, die Mütter oder Väter , die ihr Kind vorne in einer Art Sessel in Fahrtrichtung sitzen haben, der zwischen zwei Vorderrädern hängt (gefällt mit viel besser als die Anhänger bei uns, weil sie sich unterhalten können und auch lautstark tun) Männer natuerlich auch, mit kleinem Rucksack auf dem Rücken. Und dann die sportlichen, im Dress auf Rennrädern und meist in Horden und meist mit voller Power. Und die begegnen dem einsamen Wanderer auch an der ganzen Nordküste bis Helsingør.

Kopenhagen war für mich ein Schock. Nach vielen Tagen einsamen Wanderns mitten in einer aufgeregten Stadt! Der Rathausplatz mit den hohen dunklen Gebäuden, der rundum laute, schnelle Verkehr. Ich wanderte zu einem der inneren Hafenbecken, sah die Fähre und die flachen breiten Boote mit den Touristen und sah auch mit offenem Mund eine Brücke sich öffnen für ein Segelschiff. Ich wanderte an der modernen schwarzen königlichen Bibliothek vorbei und durch den Hof der Christiansburg. Lauter Ziegelbauten oder graue ernste Gebaeude. Da ist nichts von der Lebensfreude und Leichtigkeit Dresdens oder Münchens. Ich wanderte auch durch eine der schönen Fußgängerzonen, Strøget, und suchte vergeblich ein - Klo! Und so aß ich beim Italiener eine Pasta als Abendessen und vergaß das Klo. Kaum auf der Strasse war das alte Problem wieder da: Da war doch was! So kam ich auch noch zu einem Kaffee.

Aus Kopenhagen raus nach Norden ging's erst wieder am Rand von großen Straßen, dann landete ich unversehens in einem wunderschönen naturbelassenen Park mit Hunderten von Rehen und Hirschen auf riesigen nicht eingezäunten Weiden, an einem kleinen Schloss – Eremitage – vorbei, von dem aus ich auch wieder das Meer sah.

Und gleich dahinter, mitten im Grünen war meine Herberge: Kongens Lyngby und ein kleiner verzauberter See mit einem Schwanenpaar und etwa 10 Jungen.

ALARM ! Für die nächste Nacht habe ich kein Quartier! Ich werde auf dem Campingplatz in Niva schlafen müssen und es wird eine seeeehr feuchte Nacht! Intelligenterweise – ja das gibt's bei mir auch manchmal – nehme ich nur den Biwaksack und schlupf mit allen Kleidern drunter und hoffe dass der große Eichenbaum... Aber dann gehts los, große Tropfen, dass es nur so kracht in meinem Biwaksack, in den ich mich verkrochen habe. Doch ein alter Mann hälts nicht lange aus im Bett, seine Natur zwingt ihn auch nachts zu Bewegung und das im Dunkeln und das bei Regen und das auf dem Boden und das Raus aus dem Sack und wieder rein in den Sack – ich will's nicht näher schildern, wer's kennt, kann sich's vorstellen, wer's nicht kennt soll froh sein und sich seines Lebens freun.

Um Viertel nach Drei rief als erster der Kuckuck, dann zaghaft die erste Amsel und dann ging das große Konzert los. Es hatte zu regnen aufgehört.

Um halb Fünf ging ich unter die heiße Dusche, ganz allein auf dem großen Campingplatz Niva, wo alle noch in ihren feudalen Campingwägen schliefen und setzte mich fröstelnd und noch feucht - das Handtuch hatte ich zum Trocknen in den Regen gehängt - in den offenen Aufenthaltsraum und döste bis um acht der Bäcker kam und ich die am Vorabend unüberlegt bestellten frischen Brötchen mit Butter und einen heißen Kaffee bekam. Man hat ja noch Träume und schließlich war Sonntag und zur Belohnung schien die Sonne optimistisch warm. Und wenns frische Brötchen gibt, wachen auch die Camper auf und das Leben beginnt auf dem Campingplatz. Der einsame Wanderer muss weiter ziehen. Es ist nicht mehr weit bis Helsigør. Die Herberge habe ich am Vorabend an einem Klohaeuschen mit kleinem Vordach am Strand sitzend per Email reservieren lassen und so wandere ich am Øresund unbeschwert nach Norden weiter. Im Dunst sehe ich Schweden, Helsingborg mit großen Gebäuden und das Land, das ein bisschen bergig zu sein scheint.

Auf dem Sund Segelboote, kleine rote Boote einer Bootsfahrschule, Surfer, die sich von Drachen über das Wasser ziehen lassen und Luftsprünge machen, Möven und schließlich die großen Fähren, die Helsingør mit Helsingborg, Dänemark mit Schweden verbinden.

Ihr Kommentar

Diese Seite verwendet ein CAPTCHA System. Indem Sie die Zeichen auf dem schwarzen Bild eingeben, helfen Sie SPAM zu verhindern.