Solignac (27. August)
Liebe Leute,
zurZeit sitz ich an einem französischem Ordinateur. So heißen hier die Computer. Die Franzosen haben sich für all diese neumodischen Dinger nämlich eigene Namen ausgedacht und nicht die englisch/amerikanischen Bezeichnungen übernommen. Ich hab natürlich auch ein bisschen Probleme beim Schreiben, weil die Anordnung der Buchstaben auf der Tastatur auch anders ist. Wo bei uns nämlich das "A" ist, ist hier das "Q"! Die Fensterriegel dreht man nach links und die Tueren sind manchmal so kompliziert aufzuschließen, dass ich Corinne zu Hilfe holen muss.
Dass ich hier schreibe, liegt daran, dass der Hausherr bei dem wir heute in Solignac Abend und Nacht verbringen, (gestern: Lussac) mir das anbot, andererseits mein Ordinateur so spinnt, dass ich ihn, wenn er sich bis morgen nicht bessert, heimschicke, damit er repariert wird. Möglicherweise war es ihm in den vergangenen Wochen zu nass, es ist ja auch an uns und auch in den Wohnungen nichts getrocknet.
Also wenn Ihr eine Zeitlang nichts hört, nicht unruhig werden, habe mich hier gewogen: 64 kg, habe mein Idealgewicht, sehe blendend aus und binde mir die Feierabendhose mit der Schnur um den Bauch. Ich habe das Gefuehl, in dem Haus in dem wir heute sind, werden wir sehr verwöhnt werden.
Châtelus-le-Marcheix (25. August)
Da sind wir vor einer Stunde im 1/4-Stunden-Abstand eingetroffen. Eine ganz neue Herberge mit drei Doppelstockbetten und einer Küche fast wie zu Hause.
Habe getrocknetes Baguette, Corinne holt ein Ei und ein bißchen Milch, dann mache ich Knödel! Kennt sie nämlich nicht und hier gibt's nichts zu kaufen.
Siegfried
Bénévent-l'Abbaye (?) (24. August)
Habe auf dem Weg von La Souterraine zu unserem nächsten Ziel einen Abstecher zu einem Dolmen gemacht. Wurde 3000 Jahre vor unserer Zeit (oder eher unserer Zeitrechnung, also dem Jahre "0") errichtet, so lese ich es aus dem französischen Text.
Ins ausliegende Buch für die Jakobspilger habe ich geschrieben: "Zu welch großen Taten Menschen fähig waren ihren Gott (Götter) zu verehren!"
Es gibt drei Legenden zu diesem Dolmen. Übersetzung wenn ich wieder zu Hause bin.
Siegfried
La Souterraine (23. August)
Anm. d. Red.: Noch kein Bericht verfügbar.
Gargilesse (21. August)
Ihr Lieben,
Es gibt so viel zu erleben und zu erzählen, dass ich gar nicht dazu komme es aufzuschreiben.
Nach Gardilesse bin ich mit großen Erwartungen gekommen. Einerseits ist das der Ort wo sich die beiden Pilgerwege, die von Vézelay nach Santiago führen, wieder treffen, andererseits soll es einer der schönsten Orte Frankreichs sein.
Da der Weg von Cluis nach Gardilesse nicht sehr weit ist, hatte ich es ruhig angehen lassen und vor allen Dingen die Gelegenheit genutzt, beim Coiffeur, der allerdings kein Coiffeur war, sondern auch lauter so nette Damen wie bei meinem Stammfriseur in Topfseifersdorf, nachzufragen, ob sie mir nicht "meinen Kopf machen möchten".
Da ich nicht wußte, was Haare schneiden heißt, hatte ich so gleich alles auf einmal gesagt, denn beim Kopf ist ja auch der Bart inbegriffen. Ich mußte ein wenig warten und nutzte die Zeit, Kirche, Marktplatz und ein paar schöne Häuser anzusehen. Aber dann gings mir an den Bart! Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie gut das dem Kinn und dem Kopf gut tut, wenn sie plötzlich wieder frisch Luft spüren!
Ein anderer Mensch trat mit Rucksack aus dem Coiffeursalon und die ohnehin freundlichen Leute grüßten mich mit einem besonders herzlichen Bonjour. Ich hatte, glaube ich, schon ein wenig wild, ein Friseur würde vielleicht sagen "ungepflegt" ausgesehen. Bart und Haare waren ja immerhin 2 Monate nicht geschnitten gewesen, und gekämmt habe ich mich nur zu besonderen Anlässen, obwohl ich in meinem Rucksack einen Kamm mitschleppe, der jedesmal wenn ich ihn raushole, einen Zahn weniger hat.
Beim kleinen Supermarkt kaufte ich mir Äpfel und Orangen sowie einen Trinkjoghurt für den Weg und als ich um die Ecke auf unseren Weg ging, sah ich Jacky, useren Pilgergefährten, den wir seit Châtelet kennen, und der immer wieder auf uns trifft. Wir gingen zusammen bis Dampierre, dann schmerzten ihn seine Beine so, dass er eine Pause einlegte.
Ich kam nach einer abwechslungsreichen Wanderung so gegen 4 Uhr in Gardilesse an, und da ich das Hotel, in dem Corinne das Zimmer reserviert hatte, nicht gleich fand, ging ich zur Kirche hoch, aus der Musik erklang.
Durch Corinne hatte ich erfahren, dass hier das Sommerfestival der Harfenmusik gefeiert wurde, deshalb auch die Furcht, dass es keine Übernachtungsmöglichkeit geben könne.
Ein Quintett probte: Harfe, Flöte, Geige, Viola, Cello. Musik des 20. Jahrhunderts zwischen Orient und Okzident. Wunderschön. Ich stellte meinen Rucksack in eine Ecke und hörte verschwitzt eine halbe Stunde zu. Dann erst ging ich zur Information und gleich war das Hotel gefunden.
Bestellt hatte Corinne ein Zimmer mit zwei Betten, da wir kein "Couple" seien. Da war aber nur ein breites Bett! Ja Ihr Leute mit Eurer Fantasie! Ich schlug vor, auf dem Boden auf meiner eigenen Matratze zu schlafen, wir beförderten dann aber eine der beiden Matratzen des Bettes auf den Boden, und so brauchte Siegfried, Ihr kennt den ja sicher, den von den Nibelungen, kein Schwert zwischen sich und Brünhilde legen. Und falls Ihr Euch noch weitere Gedanken macht, man kann alles so arrangieren, dass alles unkompliziert und dezent abläuft und beim Eintreten klopft man an und wartet das "oui" ab.
Wir waren dann nach einem schönen Abendessen im Harfenkonzert. Es war ein wunderschöner Abend, bei dem ich vor allem nicht nur der Musik zuhörte, sondern auch die Bewegungen der Hände der Harfenistin, die manchmal energisch, ja hart, dann wieder zärtlich und sanft über die Saiten glitten, fasziniert beobachtete.
Es war ein außergewöhnlicher Abend meiner Pilgerreise.
Ach ja – das dritte Programm des Französischen Fernsehens war auch da, und wir konnten die Direktübertragung eines Interviews mitverfolgen. Vor allem das Warten auf den Beginn war interessant. Die zu Interviewende, eine Harfenprofessorin aus Brüssel, stand auf einem Koffer, damit die Höhe stimmte und bis zur Übertragung übte der Interviewer immer wieder seinen Text und seine Bewegungen. Und in ein paar Minuten war dann alles vorbei.
Wie diese Email vom Siegfried