16
Juli
2008

Saarburg (14. Juli)

Geschrieben von Siegfried | Kommentare: 0

Hallo Ihr Lieben,

langsam werde ich auch noch in Erdkunde fit. Ich bin doch glatt heute ins Saarland eingewandert, das 7. Bundesland in der Zwischenzeit und Luxemburg und Frankreich sind nicht weit. Ich sitze hier vor einer Pizzeria am Pferdemarkt und am Nebentisch ist eine große Gesellschaft, die sich abwechselnd französisch und deutsch unterhält. Am Saarufer sah ich ein Schiff für Radtouren, ein holländisches, das ganze Deck war mit Fahrrädern zugeparkt, ein interessanter Anblick.

Ich bin hier so gegen 17.00h eingetroffen und hab gleich in der Information nach einem Zimmer gefragt und nun logiere ich im Atelier einer Kunstmalerin. Zum Empfang bekam ich ein schön kühles Weißbier und wir unterhielten uns eine ganze Weile. Sie empfahl mir den Film "Kirschblüten" von Doris Dörrie anzusehen, ein Film im japanischen Milieu über einen deutschen Mann, dessen japanische Frau gestorben ist. Und einen französischen Film über den Jakobspilgerweg von fünf sehr unterschiedlichen Personen – ich hab von dem Film vor einiger Zeit gelesen.

Sie hat natürlich auch große Probleme, ihre Kunst zu vermarkten. Macht jetzt Kunstkurse für Kinder und die scheinen gut anzukommen.

Ich bin gespannt, wie ich in dieser interessanten Umgebung, dem Atelier, schlafen werde. Allerdings muß ich morgen schon um 8! Uhr aus dem Haus, weil sie einen Termin hat.

Vorgestern Abend habe ich in Trier noch was Nettes erlebt, die Bilder habt Ihr schon. Ich sitze mit Brigitta und Heinz am Marktplatz beim Glaserl Wein und da höre ich immer wieder was scheppern als wenn Porzellan zerbricht dann lautes Gelächter und Geräusche die ich nicht definieren kann, die aber mit Scherben zu tun haben. Und ich sehe junge Leute mit einem Leiterwagen umherziehen. Ich werde aufgeklärt: Das ist ein Brautpaar, das Junggesellenabschied feiert. Ich gehe hin. Für einen Euro darf ich einen Teller zerdeppern und das Brautpaar kehrt die Scherben unter großem Beifall der begleitenden Gesellschaft zusammen und lädt alles auf den Leiterwagen.

Eine andere Gruppe, diesmal nur Mädchen, oder sollte man sagen junge Frauen, in Hula-Röcken, eine mit weißem Schleier und Bauchladen. Die mit dem Bauchladen verkauft allerlei Krimskrams, ich erstehe einen goldfarbenschreibenden Kugelschreiber und bekomme einen saftigen Kuß obendrauf. Das war ein Nachtrag zu meinen Erlebnissen in Trier.

Aus dem Abschiedsweißwurstessen mit Brigitta und Heinz wurde nichts, weil's in Trier Weißwürste erst NACH 12.00h mittags gibt.

Heute früh bin ich dann mit ausgeruhten, aber gegen jede Bewegung protestierenden Gelenken und Muskeln wieder aufgebrochen.

Ich ging mitten durch die Stadt, an der Porta Nigra vorbei, über den Marktplatz , warf einen Abschiedsblick auf das Dreikönigenhaus, blickte links in die Gasse, in der ein kleiner Ausschnitt der Domfassade sichtbar wird, bewunderte im Vorbeigehen nochmal den farbenprächtigen Tugendenbrunnen und das Marktkreuz, war wieder erstaunt über das Portal zur Gangolfkirche in der Häuserfront und sah auch nochmals im Weitergehen links die Fassade der Römischen Palastaula. Und alles das zwischen Gebäuden, Fassaden, Schaufenstern, hetzenden und bummelnden Menschen einer erwachenden modernen Großstadt!

Ich mußte, um meinen Weg fortzusetzen nach Südwesten gehen, ich wußte, das ist auch die Richtung zu St. Matthias. Matthias war auch ein Apostel, genauso wie Jakobus, zu dem ich unterwegs bin. Es ist also naheliegend auch ihn zu besuchen. Soviel ich weiß, gibt es keine weiteren Apostelgräber mehr in Europa. Auch zu Matthias gab es früher große Wallfahrten, aber gegen Jakobus kommt er nicht an. Wenn er nicht ein Heiliger wäre, und die beiden, so nehme ich an, im Gefolge von Jesus nicht echte Freunde gewesen wären, müßte ihm jetzt echt stinken, daß vor seiner Haustüre, der Pforte zu seiner Kirche, eine Informationstafel über den Jakobsweg aufgestellt ist!

Die Kirche des Hl. Matthias ist also weit am südwestlichen Stadtrand von Trier und, weil's mir so weit vorkam, habe ich mich mehrmals fragend versichert, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Aber dann ist sie plötzlich da, eine Mauer, ein Tor, ein schöner großer gepflasterter Platz und eine markante romanisch-gotische Fassade. Wohltuende Ruhe in der Kirche. Außer mir ist niemand da. Eine dreischiffige gotische Basilika, einfach, klar. Unter der Apsis eine Krypta mit zwei Steinsärgen, die der ersten Bischöfe, die hier residierten, noch bevor Trier seine Bedeutung erlangte. An der Rückseite eine Nische. Da steht ein kleiner Steinsarg,mit goldfarbenen, beschrifteten Bändern, auf denen ich entziffern kann: ...St. Matthias... Hier ruhen seine Gebeine. Auch diese hat die Hl. Helena, die "Lebensgefährtin", wie's in einem Führer hiess, Konstantins des Großen, um 300 n.Chr. nach Trier bringen lassen, genauso wie das letzte Gewand Christi, das im Dom verehrt wird.

Da schon um das Jahr 930 Benediktiner nach St. Matthias berufen wurden um ein Kloster zu gründen, schrieb ich natürlich gleich eine Karte an die Patres von Wechselburg mit dieser freudigen Nachricht.

Diesmal habe ich wieder viel durcheinander erzählt. Aber so schaut's in meinem Kopf aus. Ich hatte eigentlich geglaubt, die ganze Wanderung würde eine eher langweilige und anstrengende Angelegenheit, dagegen habe ich jetzt zu tun, alles mit zu bekommen und auch alles aufzuschreiben. Wie gut das Aufschreiben ist, merke ich daran, wie schnell ich Begebenheiten der vergangenen Tage vergesse, sie werden einfach total überdeckt von aktuellen Begebenheiten, die ja nie Routine sind wie z.B. im Berufsleben. Bei vielen Dingen muß man noch dazu hoch konzentriert sein, bei der Wegfindung im Gelände und beim Gehen über schwierige Pfade.

Ich bin von Trier aus Mosel-aufwärts auf dem Radweg gewandert, auch an der Saar blieb ich auf dem Radweg, so hatte ich ein einfacheres Gehen und sah und erlebte auch mehr als beim anstrengenden Gehen im Wald und über die Berge, da hat man nur ab und zu umfassende Ausblicke.

So aber sah ich die Mündung der Saar in die Mosel und die Saar schein da genauso breit wie die Mosel. Beide Flüsse scheinen hier und auch sonst stehende Gewässer zu sein. Nur wenn man ganz genau hinsieht kann man die Strömungsrichtung feststellen. Eine Folge der zahlreichen Staustufen. Der Rhein ist auch in dieser Hinsicht eine Ausnahme, der fließt und zwar rasch, ja da ist es richtig zu sagen "majestätisch".

Das Saartal kommt mir lieblicher vor als die Täler von Mosel, Rhein und Lahn. Die begrenzenden Hänge treten weiter zurück und sind nicht so steil. Auch der Bewuchs ist abwechslungsreicher, da gibt es Wälder, aber nicht so bedrohlich wie an der Lahn, sie sind durchsetzt von Weinbergen und helleren Gebüschzonen und die Getreidefelder bringen fröhliches Gelb dazwischen.

Saarburg hat mich überrascht. Ein schönes Alt-Städtchen das von einem quirligen Bach durchflossen wird, der am Ende der Altstadt aber noch zwischen Gebäuden um die 20m hinabstürzt, zum Teil auch in hölzernen Rinnen zu irgendwelchen Wasserrädern oder für andere Zwecke geleitet wird. Es gibt viele Restaurants und da heute ein schöner warmer Abend ist, sitzt alles auf der Strasse, ich auch. Es ist jetzt elf Uhr, ich bin der letzte Gast und werde nun auch "heimgehen", denn mir wird's auch kalt.

Auch an der Saar ist es schön, ich hab das Saarland früher nur mit Kohle und Industrie in Zusammenhang gesehen.

Euer immer wieder überraschter

Siegfried

14
Juli
2008

Trier (12./13. Juli)

Geschrieben von Siegfried | Kommentare: 1

Wie schnell so ein Tag vergeht. Es ist schon wieder Abend, und es ist höchste Zeit, dass ich Euch schreibe.

Gestern bin ich ja von Schweich die Faulenzerstrecke nach Trier gegangen, während Heinz und Brigitta (die Zeitweise-Co-Pilger aus Spay) die vom Führer vorgeschlagene Route über die nördlichen Moselhänge gingen.

Also ich ging die kürzeste Strecke. Sie führt von Schweich aus zunächst direkt an der Autobahn, südlich der Mosel entlang. Es ging überraschenderweise recht gut an. Die Feuerwehr stoppte für mich den Verkehr beim Überqueren der viel befahrenen Bundesstraße, so dass ich ohne anzuhalten die Straße überqueren konnte. Enttäuschenderweise machten sie die Straße aber nicht für mich frei, sondern für einen Pulk von um die 50 sportlich bekleideten, jungen und alten, männlichen und weiblichen mehr oder minder glaubhaften sportlichen Figuren, die mich dann fast überrannt hätten.

Als Entschädigung für die Enttäuschung und den Schock konnte ich dann einige Minuten lang sich langsam entfernende Hinterteile, Beine, Füße, Arme bei Bewegungsabläufen studieren, die alle den gleichen Zweck hatten: Den jeweiligen Körper möglichst kraftschonend vorwärts zu bewegen.

Zunächst fallen die Beine auf, weil diese naturgemäß paarweise auftreten und versuchen in Harmonie miteinander auszukommen. Oftmals sind sie sich auch einig. Doch manchmal hat man den Eindruck, das eine Bein möchte das andere aus der Spur drängen. Es schaut dann fast so aus wie Schattenboxen und ein interessierter Zuschauer ist ganz fixiert auf die Knie und denkt: Einmal muß es doch passieren!

Aber würde er sich nur von diesem Schauspiel gefangen nehmen lassen, würde er manch anderes Sehenswertes versäumen. Die Füße als unterer, nicht unbedeutender Abschluss der Beine, entwickeln ein reges Eigenleben, das so interessant ist, dass man in manchen Fällen darüber die Beine vergessen könnte. Die drehen sich bei jedem Schritt nach innen und nur durch unerklärliche Steuerungsmechanismen des Körpers entwirren sie sich kurz vor Beginn des nächsten Schrittes wieder. Es gibt auch Füße, die partout nichts von einander wissen wollen und da würde es einen nicht wundern, wenn plötzlich der eine rechts der andere links alleine weiterlaufen würde, und das was darüber alles zusammenhält und unter einer sehr engen oder sehr weiten flatternden Hose verhüllt ist, auf dem Boden landen würde.

Die Hinterteile! Da gibt's welche die sind da und die stellen was dar, und dann gibt's welche, da ist man sich nicht sicher ob überhaupt was da ist. Auch hier gibt es viele Nuancen der Darstellung. Wenig aufregend sind flatternde Hosen in denen nichts drin ist. Aber enganliegende Hosen zeigen Bewegungen und Formen, die in Sonderfällen bis zum Grimassenschneiden führen. Stellt Euch 50 Hinterteile vor, die Euch alle Grimassen schneiden! Bloß gut, dass sie schneller sind als ich!

Der Weg führt auch durch Ruwer durch, das seinen Namen von einem kleinen Bach oder Fluss hat, den man von der Weinbezeichnung "Mosel-Saar-Ruwer" her kennt. Ruwer gehört schon zu Trier, und ich vermeinte mich schon am Ziel und hielt Ausschau nach der Porta Nigra. Doch bis dahin waren noch viele Kilometer entlang von Bahngleisen, verlassenen, aber auch hochmodernen Industriebetrieben zu laufen. Schließlich merkt man, dass es städtisch wird: ein sehr elegantes Hotel an einem wunderschönen Park, ein großer, verkehrsreicher Verkehrskreisel, dann die moderne Arena, der Friedhof und plötzlich ist da ein großer schwarzer Riegel im Blickfeld: Das ist sie, die bekannte Porta Nigra, die nun schon bald 2000 Jahre da steht und zu Römerzeiten als Stadttor gegen Norden geplant und gebaut, aber nie vollendet wurde.

Da durch gehen. Dahinter ist eine andere Welt! Plötzlich ein Gedränge von Menschen verschiedenster Sprachen, dazwischen Gaukler, Musikanten, Drahtkünstler und Porträtmaler, und – was mir besonders auffällt – sehr viele Leute sind auf der Strasse am Essen: Pommes, Eis, McDonalds-Snacks... Vielleicht fällt's mir besonders auf, weil ich hungrig und durstig nun plötzlich mein Tempo drosseln muss, meine Stöcke nicht mehr einsetzen kann und Entgegenkommenden ausweichen muss.

Es sind vielleicht fünfhundert Meter bis zum Markt und man geht mittig auf einen eindrucksvollen Turm zu. Aber das ist nicht der Dom. Die dazugehörige Kirche St. Gangolf ist hinter Häusern versteckt, die sich ganz eng an das Kirchenschiff drängen. Der Turm wurde als Wachturm für die Stadt genutzt.

Den Dom sieht man erst, wenn man in eine der Seitenstrassen blickt, die vom Markt wegführen, und man wird von seiner Wucht und Formenvielfalt schon beim Näherkommen gefangen genommen.

Beim ersten Besuch im Dom, noch mit dem Rucksack auf dem Rücken, erstaunt der großartige riesige Raum und die Plastik der figurenreichen Seitenaltäre an den Säulen. Auch die Einheitlichkeit der Farbe, ein gedecktes, also nicht strahlendes Gelb-Rot aller Teile, auch der Altäre. Der ganze riesige Raum in einer Farbe!

Aber auch hier: Es ist ein Museum oder besser: ein Marktplatz. In keinem Museum dürfen sich Leute so aufführen, wie sie es in einer Kirche tun. Leute laufen laut redend, mit Händen in den Taschen herum, ein Mann isst seelenruhig aus einem Becher Eis, Kinder rennen durch die Bänke, es wird fotografiert und geblitzt. Dazwischen ab und zu ein Mensch, der sitzt und den Raum betrachtet.

Ich gehe zur Dominformation um die Ecke, wo ich diesmal meine Unterkunft telefonisch vorbestellt habe. Mein Hut, der mir aus Traben-Trabach, wo ich ihn hängen lassen habe, nachgeschickt wurde, ist gerade angekommen, und nun weiß ich auch wo ich mein Quartier finde.

Gleich bei der Porta Negra. Ideal.

Duschen, Umziehen.

Telefon ansehen. Brigitta hat angerufen. Ich rufe zurück. Sie haben sich verlaufen und kommen zwei Stunden später nach Trier. Ich empfehle ihnen auch zu versuchen, ins Josefsstift zu kommen, es sei noch was frei. Und es klappt. Sie bekommen auch ein Zimmer. Und wir gehen zusammen gemütlich Abendessen und schauen uns das Feuerwerk um elf Uhr an der Mosel an.

Am nächsten Tag, nach dem gemeinsamen Frühstück ziehen sie weiter. Einen Tag noch nach Westen, dann müssen sie wieder heim. Daheim erwartet sie eine tipptopp abgestaubte Wohnung. Einer der beiden Söhne hat seine neue Freundin nach zuhause eingeladen, und der andere Sohn hat seiner Mutter vermeldet, dass der Verliebte das Haus deshalb sorgfältigst entstaubt habe.

Ich besuche noch mal mit Ruhe den Dom und erlebe eine Messe. Ich finde, nur so kann man so einen Raum in seiner Qualität und Würde erleben. Es wird gesungen und die schön anzusehende Schwalbennestorgel wird gespielt.

Kunst- und Baugeschichte braucht man dazu nicht.

Anschließend ein Bummel durch den Kreuzgang, von dem aus die Vielgestaltigkeit der Bauformen des Domes beobachtet werden können. Die Liebfrauenkirche, die direkt an den Dom angebaut ist, ist zur Zeit wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Weiter gehe ich noch zur Römischen Palastaula, einem Ziegelbau aus der Zeit Kaiser Konstantins und auch seinerzeit als Residenz genutzt.

Dazwischen vielfältige Nutzungen, zeitweise sogar als Burg. Heute wird sie als evangelische Kirche genutzt. Ein riesiger säulenloser Raum von fast 70 Metern Länge, fast 30 Metern Breite und über 30 Metern Höhe! Vor 1700 Jahren gebaut. Seinerzeit mit einer hocheffektiven Hypkausten-Fußboden- und Wandheizung mit einem Wirkungsgrad von rund 90! Mit reichem Wandschmuck. Heute ist alles ziegelfarben.

Wie ich wieder weggegangen bin, höre ich näherkommende diskutieren: "wie ein Industriegebäude im Ruhrgebiet"! Gemeint waren die Ziegelbauweise, die klare Strukturierung, die großen Fenster. Das sagt viel aus über das moderne, zeitlose Erscheinungsbild dieses würdevollen Gebäudes.

Eine gemütliche Stunde im Café, Karten schreiben, heimgehen, Füße hochlegen, Tagebuch schreiben bei einer Flasche guten Riesling aus Osann-Monzel wo ich vor ein paar Tagen übernachtete.

Über meinem Bett hier im Stift hängt an der Wand ein Kreuz mit geschnitzter Christusfigur. Und als ich mich gestern ins Bett legte, schaute mir dieser Christus mitten ins Gesicht. Welch schönen Glauben haben wir Christen doch! Gott hat, um sich mit uns zu versöhnen, die Last des Menschseins auf sich genommen und alles Leid das einem Menschen zustoßen kann. Wie tröstlich für uns, dass wir von so einem Gott auch sicher Verständnis für unsere Schwächen und Ängste erwarten können, denn auch die waren ihm sicher als Mensch nicht fremd.

Manchmal bin ich auch nachdenklich
Euer Siegfried

13
Juli
2008

Trier (12. Juli)

Geschrieben von Siegfried | Kommentare: 0

Hallo Ihr Daheimgebliebenen,

Kaum treffe ich in einer Stadt ein, schon feiern sie ein Fest.

Gerade komme ich nach ein paar Schoppen Wein (Grauburgunder von der Mosel) – die meisten Stände bieten hier witzigerweise nur Bier beim "Weinfest" an – zurück, das ich mit meinen neuen Freunden Heinz und Brigitta gefeiert habe, und gleich gehe ich ins Bett.

Nur kurz: Ich bin heute den kürzesten Weg von Schweich nach Trier gegangen. Sie haben den luxuriösen weiteren Weg über die Berge genommen und sich auch noch verlaufen. Aber auch sie logieren hier im Josefsstift.

Morgen habe ich Ruhetag, da bekommt Ihr wieder einen erschöpfenden Bericht! Hoffe ich, so ich Zeit habe!

Gute Nacht!
Siegfried

11
Juli
2008

Ossan-Monzel (9. Juli), Klüsserath (10. Juli)

Geschrieben von Siegfried | Kommentare: 1

Hallo Ihr Lieben,

Ihr seht, ich komme mit dem Schreiben wieder nicht nach. Das liegt einerseits an den Tagestouren, die wieder ausgedehnter sind, aber auch daran, dass ich beim Glaserl Wein nicht schreiben kann, weil ich zur Zeit wieder Gesellschaft habe.

Heute sitze ich (es ist jetzt schon acht Uhr) bei meinem Glas Riesling feinherb von der Klüserather Bruderschaft allein, nur mit meinem Zu-Euch-Kontaktgerät am Tisch. Und auch dieser Wein schmeckt gut: Er ist frisch und hinterlässt einen feinen Fruchtgeschmack im Mund, bei dem gut sinnieren und schreiben ist.

Die letzten Tage habe ich einige Tiefschläge hinnehmen müssen, die manchem von Euch vielleicht nicht so bedeutend vorkommen, weil Ihr ganz andere Kaliber von Tiefschlägen ertragen müsst, aber mir altem, sensiblem Kerl reicht schon ein kleiner zarter Kinnhaken, schon fällt er um!

Also vorgestern musste ich feststellen, dass ich das kleine Tonfischchen, das ich von der Pfarrerin von Creuzburg zum Geburstag geschenkt bekommen habe, verloren habe! Darüber bin ich sehr traurig, weil ich es am Gürtel getragen habe und es immer wieder in der Hand und vor Augen gehabt habe...!

Gestern als ich in einem Buswartehäuschen wegen des Quartiers telefonierte, stellte sich ein kleiner Junge von vielleicht 12 Jahren mit dem Fahrrad vor mich hin und beobachtete mein Tun. Wir kamen ins reden und ich erzählte von mir und von dem, was ich vorhabe. Er schaute mich von oben bis unten abschätzend an und sagte nach kurzem Überlegen: "Das schaffen Sie nie!"...

Heute habe ich meine neue Bekanntschaft in Klausen verlassen, weil ich nicht die vorgeschlagene, meines Erachtens umständliche Strecke gehen wollte, sondern eine sinnvoll kurze, und hab mich ziemlich verfranst, so dass ich erst kurz vor sieben Uhr in Klüsserath, und natürlich recht erschöpft, eingetroffen bin...

Also drei Tiefschläge in drei Tagen, das gibt zu denken! Außerdem hab ich auch gestern noch meinen Hut in der Pension vergessen! Alt wird man halt. Aber die schicken mir den Hut zum Pilgerbüro in Trier nach, ist alles schon geregelt. Und deswegen habe ich auch schon ein Quartier in Trier, direkt neben der Porta Nigra, im Josephstift!

Gestern brach ich von Tarben-Trarbach aus Richtung Bernkastel um Viertel nach neun Uhr auf, und da mein Quartier günstig gelegen war, fand ich gleich den Weg. Auch diesmal wollte ich nicht den vom Führer vorgeschlagenen Weg gehen, sondern den direkten Wanderweg, den die Einheimischen vorschlagen, und der um einiges kürzer ist als der vorgeschlagene Moselhöhenweg.

Man muss nicht unbedingt zu jedem Aussichtspunkt gehen. Das kann auch manchmal erlebnismäßig nicht verkraftet werden, und am Schluss hat man dann von vielen großen Erlebnissen weniger als von einem, das sich eingeprägt hat.

Nach fast zwei Stunden Hochgehen: Übernachtet habe ich ja im Tal der Mosel, und um die Moselschleife zu umgehen, das heißt: abzukürzen, bleibt einem nichts anderes übrig als auf die Hänge hochzusteigen. Das sind so im Allgemeinen um die drei- bis vierhundert Meter, um dann auf der anderen Seite wieder ins Tal abzusteigen.

Und wie ich da an der Wegspinne (schönes bildhaftes Wort, spannend, wenn die einzelnen Beine der Spinne unklar beschriftet sind!) stehe und die Karte studiere, kommt ein etwas, eigentlich mehr als etwas, jüngeres Paar als ich des Weges und entpuppt sich auch als Jakobspilger(-Paar).

Sie haben auch die Abkürzung genommen, und – wie sich später herausstellt – auch die Fähre bei Enkirch, um den Weg abzukürzen, und das alles allein ist schon ein Grund, sich symphatisch zu sein. Und so gehen wir zusammen plaudernd nach Bernkastel hinunter und durch Bernkastel durch und erst vor der Brücke merke ich dass ich schon durch bin.

Sie gehen weiter. Wir werden uns sicher wieder treffen. Ich bleib in Bernkastel, besuche die Kirche und bummle durch die wenigen kleinen schmalen Gassen und trinke schließlich einen Kaffee zu einem prima Apfelstrudel mit Vanilleeis und Sahne. Ja, es gibt halt auch Sachen von denen ein "Pilger" träumt!

Aber auch ich muss weiter und gehe auf der Brücke nach Kues. Da gibt's einge Sehenswürdigkeiten, aber vor allem das Nikolaus Cusenius-Haus. Das war so eine ganz kluge Persönlichkeit im 16. Jahrhundert, und deshalb ist sein Geburtshaus was ganz besoderes, und ich bin daran vorbeigelaufen, wie ich später erfuhr. Ich stehe jetzt vor der unlösbaren Frage: War ich so schnell, dass ich das Hinweisschild nicht lesen konnte, oder hab ich so eine lange Leitung, dass...?

Schließlich kam auch ich in Monzel an. Allerdings, entgegen den Empfehlungen des Führers und der entsprechenden Wegeplanung meiner neuen Freunde, nicht auf dem Moselhöhenweg hoch über den Weinbergen, sondern entlang der Bundesstrasse am Fuß der Weinberge. Ich hatte gedacht ("gedacht"), der Weg würde wie hinter Bernkastel immer an der Mosel entlang führen aber da hatte ich mich halt wieder mal verrechnet.

Da Monzel zur Abwechslung einmal hoch über dem Moseltal liegt (ca. 60 Meter), muss ich am Ende doch noch einen Anstieg machen. Monzel ist ein recht verschlafener kleiner Ort. Ich finde ein Privatquartier nach telefonischer Voranmeldung, wobei mich der kleine Junge, wie schon beschrieben, so kritisch bewertet hatte.

Beim Abendessen im Kelterhaus treffe ich wieder mit meinen neuen Freunden zusammen. Sie haben zwei Söhne und sind aus Spay bei Boppart und gehen die Route, so wie im Führer vorgeschlagen, von Stolzenfels nach Trier.

Ich hab den Eindruck, ich bin für sie, besonders für die liebe Frau, so was wie ein Wesen aus einer anderen Welt, mit vernünftigen Ansichten, aber utopischen, das heißt: gewünschten aber unerreichbaren Zielen (für sie selbst). Aber immerhin planen sie jetzt, ein paar Tage den Weg von Trier Richtung Frankreich weiter zu gehen. Wir nehmen mal wieder Abschied in der Hoffnung, uns wieder zu treffen.

Und heute haben wir uns wieder getroffen, wieder auf einer kleinen Anhöhe über der Mosel. Ich telefonierte, dann hatte ich was zu tun, und grad da kam ein uralter Jogger vorbei. So uralte Jogger sind ja ein Augenschmaus! Schöner finde ich da noch einen g'standenen, gemütlichen Mann mit Bauch und feistem, lachenden Gesicht! Und dann sah ich auch meine Jakobsweggefährten den Berg hoch kommen.

Ich hatte den Rucksack grad angeschnallt, um weiter zu gehen. Sie machten keine Pause, obwohl ihnen der Schweiß aus allen Poren lief. Preißn halt! (Sind natürlich KEINE Preißn! Wenn Ihr Euch nicht sicher seid, Landkarte anschauen! Anmerkung gilt nur für Bayern!)

Von da sind wir wieder unterhaltend weiter gegangen. Ich vermeide hier bewusst das Wort ratschend. Wir haben durchaus auch ernste Themen angeschnitten.

Was halt immer ein bisschen befremdend wirkt, wenn zwei Männer und eine Frau gehen: Es ist fast selbstverständlich, dass die beiden Männer da, wo nur zwei nebeneinander Platz haben, nebeneinander gehen, und die Frau im Dunstkreis der Männer hinterherhechelt.

Ich habe versucht, eine Verbindung mit dem hinteren Teil der Gehgemeinschaft dadurch herzustellen, dass ich ein wenig versetzt nach hinten ging, aber das fasste der Mann als körperliche Schwäche meinerseits auf und reduzierte mitfühlend auch seine Geschwindigkeit.

Schön fand ich, dass er "gehend" Geschichten über das anzulaufende Objekt seiner Frau vorlas, als ich, um ein Foto von beiden von hinten zu machen, zurück geblieben war. Wenn das nicht Liebe ist! Aber selbst bei übermächtiger Liebe hätte ich das nicht gekonnt: Ich wär einfach in den Graben gefallen.

So sind wir zusammen schließlich in Klausen angekommen, einer alten Wallfahrtskirche, die ein Taglöhner im 16. Jahrhundert nach Träumen in die Wildnis baute. Heute noch kann man seine Zelle in einer Nische der Kirche sehen. Es gab offenbar viele Wunder, und bis heute pilgern die Leute mit ihren Anliegen hierher.

Im Pfarrhaus hab ich seit langer Zeit wieder einmal einen Stempel von einer kirchlichen Institution in meinen Pilgerpass bekommen, und nach einer kleinen Brotzeit haben wir uns getrennt, um auf unterschiedlichen Wegen nach Klüsserath zu gehen.

Euer erschöpfter
Siegfried

10
Juli
2008

Traben, Trarbach (8. Juli)

Geschrieben von Siegfried | Kommentare: 1

Ich sitz im "Storcke Stütz", einem Weinlokal in alten Gewöben in Trarbach.

Das Gebäude war so um 1400 als Salz- und Pulvermagazin gebaut worden. Aber schon frühzeitig war es zu einer Wirtschaft umgewandelt worden, wie's in der Speisekarte, mit Zitaten aus alten Büchern, belegt wird. Dicke Säulen und niedrige Gewölbe. Und vor einer "Rahmsuppe vom Moselriesling" mit Lachsstreifen! War ein bißchen aufgeschäumt, sehr zart und fein im Geschmack. (Achtung, die meinen vielleicht ich sei ein Tester, weil ich immer wieder die Speisekarte aufschlage, damit ich keinen Schmarrn schreibe – vielleicht bekomme ich nachher einen Schnaps umsonst!)

Als Hauptgang gab's "Trarbacher Tresterfleisch auf Gräwes" das ist Schweinebauch im Trestersud gegart. Gräwes ist Kartoffelpürree mit Speck und Sauerkraut gemischt. Das Fleisch war sehr zart, ist beim Zerteilen fast zerfallen und hat einen interessanten Geschmack . Ich hab in meinem Geschmacksreservoir keinen vergleichban Geschmack, so kann ich's kaum beschreiben, schmeckt ein bisschen wie Surhaxe (Gepökeltes) mit rauchigem Einschlag. Das Gräwes ist seeehr gut, sehr würzig und passt gut zu dem Fleisch.

Dazu trinke ich Riesling halbtrocken. Der Riesling ist ja die ideale Traube der Mosel, weil sie die Schieferböden liebt, offenbar relativ unempfindlich gegen Frost ist und auf den Steillagen gut gedeiht. Und sie gibt einen spritzigen, fruchtigen Wein. Rotwein durfte an der Mosel bis 1988 nicht angebaut werden. (Bin heute so nebenbei auch auf einem Lehrpfad gelaufen, als ich nach Enkirch abstieg.)

Heute bin ich in Zell um etwa neun Uhr aufgebrochen. Frühstück gabs um acht Uhr, weil's in der Familie, in der ich das Gastzimmer hatte, so besser passte. Aber die Gefahr für mich dabei ist, dass ich wieder bequem werde, heute hätte ich fast das Früstück um acht Uhr verschlafen.

Aber dann ging's in aller Früh schon wieder steil auf einen Moselhang hinauf! Da schwitzt man bald und das Blut kommt in Wallung! Schmale Pfade, wo die schiefrigen Felsen rausschauen. Ist ein kleines Graspolster da, ist es von den Wildschweinen umgepflügt. Nachts möche ich in dieser Gegend lieber nicht unterwegs sein. Da ist man sicher nicht allein. Was die suchen? Vielleicht kleine Käfer, vielleicht aber auch Pilze, darauf komme ich, weil ich im Wegbereich auch öfters Pilze wachsen sah.

Der Weg verläuft ganz abenteuerlich und verändert auch sein Erscheinungsbild ständig, einmal, mitten im Wald, da war er nur noch eine Spur in den Nadeln, in denen obendrein auch noch die Wildschweine rumgewühlt hatten. Da stand ich nun, kopflos, dafür am ziemlich steilen Hang. Ich wußte aber: Ich muß hinauf, will ja zum Bummkopf, also irgendwie hoch. Oben gabs auf einmal wieder einen breiteren Weg und der führte zu einer schön gelegenen Schutzhütte, sehr schön zum Übernachten, aber es war ja Vormittag!

Ich machte Pause und genoss die Aussicht über die gut einsehbare Moselschleife zwischen Zell, wo ich hergekommen war und Briedel. Hier umrundet die Mosel einen Berg, der wie ein Vulkankegel aussieht. Interessant ist, wenn man eine so umfassende Übersicht hat, wie die Weingärten über die Hänge verteilt sind. Ganz offenbar nach den günstigsten Sonneneinstrahlwinkeln aber nicht immer ganz einsehbar für den Betrachter.

Auf dem Bummkopf – den müsst Ihr euch als flachen Hügel vorstellen – mittig ein großes Getreidefeld, rundherum Wälder: Erinnert einen Glatzkopf, auf dem nur noch am Rand die Haare wachsen.

Es war stürmisch, und später regnete es beim Abstieg nach Enkirch. Ein Weinbauer, der mit seinem Traktor runterfuhr, wollte mich mitnehmen.

Es war wunderschön, erst regnete es, dann stürmte es, dann schien wieder die Sonne. Und dann tauchte tief unten, ungefähr 300 Meter unter mir das Dorf Enkirch und die Mosel auf. Im Sonnenschein stieg ich zwischen Weinbergen hinunter.

Enkirch ist ein kleines malerisches Örtchen. Ich wanderte nur durch und ging zur Mosel. Ich setzte mit der Fähre über und wanderte auf einem ruhigen Weg von Kövenig in einer Stunde nach Traben. Wäre ich die von meinem Führer vorgeschlagene Strecke gegangen, wärs nochmal auf über 300 Meter über die Mosel gegangen, bloß um eine Burg zu sehen.

In Traben erhielt ich die Adresse der Pension in der Info, die riefen auch noch dort an um sicher zu sein, dass was frei ist, und jemand da ist. Welch ein schöner Kundendienst. Einziger Nachteil: zwanzig Minuten zur Altstadt. Aber das werd ich überstehen!

Traben an der linken Seite der Mosel, durch das ich hereingekommen bin, wirkt nicht wie die übrigen Moselstädtchen. Man geht zunächst an Villen vorbei in großen Gärten – zum Teil Jugendstil – und kommt dann auf einen großzügigen modernen Platz. Erst von dort, wo auch Rathaus und Info sind, geht's durch eine eng bebaute – auch teils Jugendstil – Straße zur Moselbrücke. Diese, aus Stahl, führt auf einTor zu, hinter dem wieder ein echtes Winzerstädtchen – Trarbach – beginnt, mit den gemütlichen Winzerhäuschen, unten in Naturstein, das zweite oder dritte Geschoß verputzt und oben noch ein Geschoß in Fachwerk. Die hangseitigen Häuser sind ganz an den Fels gebaut. In so einem übernachtete ich gestern in Zell.

Da der bebaubare Streifen neben der Mosel und in den Seitentälern sehr schmal ist, ziehen sich die Straßen (oft nur eine) mit ihrer beidseitigen Bebauung weit in die Täler hinein.

Gelesen habe ich, dass es hier den "Mont Royal" gibt: Reste einer gewaltigen Festungsanlage, die der Sonnenkönig Ludwig XIV einst errichten lassen wollte, um die von den Franzosen besetzten Gebiete zu sichern. Irgendwie ist ihm dabei das Geld ausgegangen und so musste er das Bauvorhaben aufgeben. Man sieht, auch Könige hatten schon Geldsorgen. Das Geld hatte dann grade noch gereicht, das ganze wieder in die Luft zu sprengen, damit die Deutschen nicht eines Tages mit der gleichen Absicht, aber in umgekehrter Richtung, das Bauwerk vollenden würden.

Jetzt ist das eine Sehenswürdigkeit, genauso wie die Graacher Schanzen, die man auf der Anhöhe zwischen Trarbach und Bernkastel besichtigen kann. Da wurden mal in großem Umfang Geschützstellungen gebaut, um an einer engen Stelle der Mosel den Franzosen den Übergang zu versauern, sollten sie es versuchen wollen. Aber auch daraus wurde offenbar nichts, und so wurde auch von da nie ein Schuß abgefeuert. Mein geliebter, gesprächiger Jakobsführer hält aber auch die Schanzen für so sehenswert, dass er einen Umweg empfiehlt. Ich habe beide nicht besucht und mich lieber mit Wein, Gedanken an Euch und E-Mail-Schreiben beschäftigt.

Liebe Grüße
Siegfried

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