9
Juli
2008

Zell an der Mosel (7. Juli)

Geschrieben von Siegfried | Kommentare: 0

HALLO,

jetzt muss ich wieder versuchen, jeden Tag zu schreiben, sonst komme ich ganz durcheinander und am Schluss schreibe ich dann noch wie Ingeborg Bachmann.

Gerade komme ich vom Abendessen und ich habe einen gewaltigen Fehltritt getan. Nachdem ich mich alle Tage, seitdem ich an der Mosel bin, nur von Moselwein und Wasser – dies nicht von der Mosel – ernährt habe (vom festen Essen abgesehen – aber auch da habe ich versucht ortsübliches Essen zu konsumieren), bin ich heute beim Italiener fremd gegangen und hab Pizza gegessen und Valpolicella getrunken.

Die Pizza war schon richtig, beim Wein aber hat er statt "Moselwein halbtrocken" "Valpolicella" verstanden. Ich denke jetzt noch über meine perfekte italienische Prononziation (heißt doch so ähnlich, oder?) nach, und wie das in den Ohren eines Italieners geklungen haben mag. Er hat übrigens schon bei der Bestellung "Valpolicella" wiederholt und ich war darüber so erstaunt, dass ich das als Fügung Gottes hinnahm. War ja auch keine schlechte Wahl.

Heute hatte ich mir von Beilstein bis hierher eine leichtere Tour vorgenommen, es ist etwa die Hälfte der Strecke, die der Führer für den Tag vorgegeben hat. Es war auch wirklich heute nicht anstrengend. Von Beilstein aus gings erst mal eine gute Stunde aufwärts, bis ich auf den Höhen des Hunsrücks war. Und da ist man erst mal überrascht. Eine weite, nur leicht hügelige Fläche, in der Ferne von Waldgruppen unterbrochen. Ganz weit hinten im Norden, wo meinem aktuellen Wissensstand nach die Eifel liegt, leuchten ebenfalls Getreidefelder, dazwischen sind Täler mit dunklen Waldbändern. Ich deute diese als die Ränder des Moseltales.

Bei einer kleinen Kapelle, mitten zwischen den Feldern, mache ich auf einem Bankerl unter einer Linde die erste Rast und zücke auch mein MDA um ein paar E-Mails abzuschicken. Derweilen bricht, ohne dass ich es merkte, ein Wolkenbruch herein, und ich komme gerade noch einigermaßen in die Kapelle, um Rucksack und mich mit dem vorgesehenen Regenschutz zu versehen.

Das ist natürlich auch wieder so eine Situation gewesen wo man sagen kann "Zufall". Hätte ich nicht bei der Kapelle Rast gemacht, hätte mich der Platzregen auf freiem Feld überrascht...

Beim Weitergehen im Wald komme ich an einer Lichtung vorbei, die voll von Königsfarnen steht, die alle mehr als mannshoch sind. Dass es Königsfarne sind, weiß ich noch aus der Schulzeit. Da sollten wir Farne aus dem Wald zur Unterrichtsstunde mitbringen. Auch ich brachte mit und präsentierte sie unserem Lehrer, es war der "Fuhrmann". Einige nahm er mir gleich weg und sagte in seiner unnachahmbaren Art, die seien zu schade für mich, weil sie nämlich vom Königsfarn stammten, ob ich das denn wisse! Ich wusste es natürlich nicht, aber seitdem weiß ichs.

Der Jakobsweg war in großen Teilen im Wald völlig umgeackert, auch im Bereich der an die Königsfarne angrenzte. Zunächst glaubte ich, der Förster wolle vielleicht den Weg neu gestalten. Aber immer sicherer wurde ich mir beim Weitergehen, dass das die Wildschweine gemacht haben. Sicherer wurde ich mir auch als ich wieder neben einem Weizenfeld lief, das von einem ganz niedrig verlegten Elektrozaun eingezäunt war. Erst dachte ich, das sei ein Schutz gegen Hasen. Aber auf dem Weg sah ich viele Büschel weiß, braun bis schwarz vom Kittel der Schwarzröcke. (Und da ist mir auch eingefallen, dass die Tante Lina die Schweine unter anderem auch mit Getreide gefüttert hat.)

Im Wald war's nun natürlich besonders spannend. Denn die Burschen müssen ja irgendwo sein. Aber außer ein bisschen Rascheln manchmal, das aber sicher nicht von denen kam, konnte ich nichts Verdächtiges feststellen. Ich stellte mir einfach vor, wenn die mich mit dem gewaltigen Rucksack sähen, würden sie wegen des muskelbepackten Giganten (ich – sie würden den Rucksack sicher als einen Teil von mir sehen) sofort die Flucht ergreifen. Und das half mir.

Schon gegen vier Uhr traf ich über die Weinberge runterkommend in Merl ein, von wo ich an der Mosel entlang nach Zell wanderte. Ich fragte in mehreren Pensionen nach. Die eine hatte nur Doppelzimmer und gefiel mir auch nicht, die andere hatte die Heizung nicht an, so dass die Dusche ohne warmes Wasser war. Alle hätten so um die 25 € gekostet. Bei einer Weinschenke hätte die Nacht 45 € gekostet. Schließlich aber fand ich mit Hilfe einer netten Pensionswirtin (die auch nichts mehr Passendes hatte, aber eine Freundin anrief) ein sehr schönes Zimmer für 30 €, nur 5 Min vom Zentrum, und da sitz ich nun und schreibe.

Euer Siegfried

9
Juli
2008

Alken (4. Juli), Karden-Treis (5. Juli)

Geschrieben von Siegfried | Kommentare: 0

Meine Herrschaften,

Ihr seht, ich komme meinen guten Vorsätzen nicht hinterher. Schon wieder hab ich den Bericht über einen Tag ausgelassen. Das war gestern, als ich von Koblenz-Pfaffendorf nach Alken wanderte und erst abends um sieben Uhr in der Pension in Alken Feierabend hatte.

Und heute bin ich auch erst um sechs Uhr in Karden, der nächsten Station, eingetroffen.

Gestern hatte ich mich telefonisch in einer Pension angemeldet, das wollte ich heute auch tun, aber ich bekam da, wo ich gerade war, keinen Anschluss (ist mir übrigens schon öfter passiert), und dann vergaß ich das Anrufen. Aber hier ist das kein Problem: Übernachtungsangebote gibt es hier in Hülle und Fülle und in allen Variationen.

Jetzt sitz ich vor dem "Schwan", wo ich auch logiere, auf der Terrasse und die charmante Wirtin freut sich, wenn ich ihr gutes Essen lobe. Der halbtrockene Riesling, der Standardwein an der Mosel, ist gut zu trinken und tut mir gut, nur gestern, nachdem ich drei Schoppen getrunken hatte, wankte ich etwas ins Bett. Aber ich höre auf Chantal – ich muss auf meinen Flüssigkeitshaushalt achten, und das Wasser ist hier fast so teuer wie der Wein. Heut habe ich aber auch mit dem Essen ein wenig über die Stränge geschlagen: Suppe, Feinschmeckerschnitzel vom Schwein mit Gemüse überbacken, sehr zart! Dann Espresso und auch noch ein Pfefferparfait. Dazu zwei Schoppen Wein und zwei Wasser. Muss die nächsten Tage wieder spartanischer leben.

Der Weg geht an den Moselhängen entlang, zum Teil zwischen Weinbergen. Hier sah ich auch einmal das Zuschneiden, so muß ichs (da fehlt der Rest, Anm. d. Red.)

Die Landschaft ist recht kurzweilig, weil sie sanft hügelig ist und durch kleine Waldflächen unterteilt.

Nach rauf und runter und manchen kleineren Unsicherheiten bei der Orientierung komme ich schließlich zu Burg Eltz, eine Burg, die ich nicht zu beschreiben brauche, weil sie eh jeder kennt. Stellt euch die schönste Burg vor, von der Ihr ein Bild gesehen habt, ja, das ist sie. Und schlauerweise haben sie sie in ein Tal auf einen hohen Felsen gesetzt. So ist sie einerseits hoch oben, aber wenn man von einem der das Tal umgrenzenden Hügel kommt (Jakobspilger tun das immer, weil's Raufsteigen so schön ist), dann sieht man sie auch von oben und kann zu ihr runtersteigen.

Logischerweise ist für die Autotouristen der Parkplatz auch oben, sie gehen dann fotografierend nach unten und lassen sich mit dem Shuttlebus wieder rauffahren.

Ich hatte eine Vision von einem kühlen Weißbier, und nach einigen Irrwegen zwischen hungrigen Autotouristen konnte ich ein traumhaftes Erdinger Weißbier auf einer Terrasse der Burg Eltz genießen. Der weitere Weg schien mir nun ein Kinderspiel. Es ging abwärts – die Mosel liegt weiter unten. Ein Tal mit einem kleinen lebendigen Flüsschen wird der Weg wohl nutzen.

Ich gehe runter, und der Weg macht einen großen Bogen und führt mich über eine Brücke. Unmittelbar an der Brücke werden gerade zwei Autos der Freiwilligen Feuerwehr an den Flußrand rangiert, Schläuche werden ausgelegt, der Fluß mit Steinen gestaut und zwei riesige Fontainen in Wald und Wiese gespritzt. Faszinierend! Wie schön wärs, bei der Feuerwehr zu sein. Aber ich muss weiter.

Es ist an der Gabelung unmittelbar nach dem Brückchen eine umfangreiche Sammlung von Wegweisern und Wandererweisern, auch die Jakobsmuschel, zu studieren, doch keiner führt in einen Ort, der auf meiner Karte verzeichnet ist. Also lauf ich, nicht ganz sicher, den wahrscheinlichsten Weg. Der Witz an dieser Stelle ist, dass der Moselhöhenweg hier nach zwei Seiten ausgeschildert ist, einmal nach Norden einmal nach Westen.

Nach ein paar hundert Metern bin ich mir noch weniger sicher, noch dazu da ich am Sonnenstand, das heißt: am Schatten meiner Stöcke, merke, dass der eingeschlagene Weg nicht von seiner Nordrichtung abweicht. Also wieder zurück. Die Feuerwehrleute rollen ihre Schläuche wieder ein und lachen mir zu. Ich steh wieder vor meiner Wegweiseransammlung und studiere. Und was seh ich da? Direkt neben der stattlichen Eiche, vor der ich stehe, ist so was wie ein trockener Wasserfall vom letzten Platzregen. Ich definiere ihn als "meinen" Pfad und steige darin hoch.

Im weiteren Verlauf kann man den Pfad als Hohlweg bezeichnen und ich habe ein recht gutes Gefühl, da ich auch bald an einem Baum die Jakobsmuschel sehe. Ich keuche höhrbar, denn es geht steil bergauf und es tut gut, laut zu atmen. Plötzlich sehe ich weiter über mir zwei Männer laut diskutierend stehen.

Ich laufe wieder lautlos und locker, sportlich halt wie a Junger, und beim Näherkommen fragt mich einer der beiden: "Haben Sie da unten zwei Feuerwehrautos gesehen?" Ich bejahe das, und kläre sie darüber auf, dass die auch gespritzt hätten. Beim Weiter-Raufkommen sehe ich, dass die auch ein rotes Auto haben, einen Geländewagen von der Feuerwehr! Wahrscheinlich ist's der Kommandant. Ich frage noch, ob das der Weg nach Karden sei, was bejaht wird, dann setzen sie sich ins Auto und setzen rückwärts (jedenfalls so weit ich sie sehen kann) ihre Suche nach dem richtigen Weg zu ihrer Mannschaft fort.

Mir wurde nun also von kompetenter Seite bestätigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin!?

Trotzdem verließ ich mich doch lieber auf die Markierungen, und die führten mich nun auf den Buchsbaumweg zwischen Müden und Karden. Das ist eine Besonderheit hier und gibt's nur noch einmal nördlich der Alpen: Es gibt hier ein natürliches Vorkommen von Buchsbaum. Erst nach längerem Beobachten der Pflanzen ringsum konnte ich die Büsche entdecken. Sie sind eher unscheinbar, aber doch bis mehr als zwei Meter hoch und haben keine Ähnlichkeit mit dem zugeschnittenen Buchsbaum, wie wir ihn kennen. Der Bewuchs, also nicht nur die Buchsbäume, der den Weg begleitet und überdeckt, zaubert mich in eine lange, grün-golden schimmernde Säulenhalle! Was kommt dahinter?

Es kam die Schutzhütte hoch über der Mosel und über Kaden. Und nach dem Entschluss, doch nicht die Nacht an diesem so schönen Ort zu verbringen: der fast alpine Abstieg über Felsen inmitten von üppigem Bewuchs, immer auch von Buchs, bis weiter unten plötzlich Natursteinmauern, vielleicht von aufgelassenen Weinbergen, neben dem Weg aufragten.

Dann war's nicht mehr weit, und ich kam gleich in der Nähe der romanischen Kirche – ähnlich den Kirchen in Koblenz, Lahnstein und Arnstein – in den Ort und war froh gleich ein Quartier zu bekommen.

Der Tag war doch wieder anstrengend gewesen.

Aber schön!

Siegfried

6
Juli
2008

Koblenz (3. Juli)

Geschrieben von Siegfried | Kommentare: 1

Heute ist Ruhetag und ich spüre so eine Ruhe an die ich mich gewöhnen könnte.

Früh war ich mit Alfons schon in der Kirche, die haben hier in der Nähe ein Nonnenkloster mit indischen Nonnen und da war heute anläßlich eines Feiertages –

der Hl. Apostel Thomas, der ist 52 n.Chr. nach Indien geschippert und hat dort missioniert, und daraus ist eine Gemeinde an der Süd-West-Küste Indiens entstanden, die heute rund 3,5 Mio. Mitglieder zählt. Welchen Mut und welche hohen Ideale muß so ein Mann damals gehabt haben und wie wenig Mut haben wir heute? Was für Ideale haben wir noch. Erstens brauchen wir ein Handy, damit wir ja überall erreichbar sind, damit gleich der Notarzt da ist, wenn wir Nasenbluten haben, ja und natürlich auch deswegen, weil wir für die anderen so wichtig sind. Zweitens brauchen wir einen Krankenversicherungsschein mit kompletter Abdeckung und der Gewähr, dass wir mit dem Flugzeug heimgeführt werden usw.

– eine besonders feierliche Messe im syrisch-maladinischen Ritus.

Drei Nonnen haben für meine Ohren fast sphärische Melodien in einer mir sehr fremdartigen Sprache gesungen. Drei Priester haben zelebriert, davon zwei Inder. Ihr Deutsch konnte ich schlecht verstehen, doch im Heftchen konnte ich die ins Deutsche übersetzten, sehr anrührenden Texte mitverfolgen.

Anschließend ausgiebiges Frühstück auf der Terrasse, dann Aufbruch in die Stadt. Da mein Cousin vor ein paar Tagen unverschuldet einen schweren Autounfall hatte, kann er mich nicht wie vorgesehen begleiten.

Es dauert zu Fuß von hier, Pfaffendorf, etwa 45 Min bis zum Deutschen Eck an der Moselmündung. Aber besonders attraktiv haben die Koblenzer den Zugang zu einer ihrer Sehenswürdigkeiten nicht gestaltet. Man geht am Rhein entlang an ein paar Getränke-, Karten- und Würstchenbuden vorbei, wenn ich nicht wüßte, das Deutsche Eck müsse irgendwo am Rhein liegen, da wo ich nicht mehr weiterkomme, weil die Mosel reinmündet, wäre ich nicht sicher ans Deutsche Eck zu kommen.

In die Innenstadt, zur wirklich fast attraktiven Fußgängerzone – dass die Koblenzer nicht mit Fassaden wie in Limburg aufwarten können, dafür können sie ja wirklich nichts – bin ich durch eine Hinterhofstrasse gegangen, links ein fensterloses, dunkel gestrichenes Sockelgeschoß, rechts Parkplätze. Die ideale Verbindung zwischen der Hauptattraktion und der Innenstadt.

Natürlich war ich auch in der Kastorkirche, einer alten romanische Kirche aus der Zeit der Dome von Limburg und Naumburg. Aber auch dahin muß man den Weg suchen, obwohl die Kirche gleich hinter dem Deutschen Eck steht.

Kurze Zwischenbemerkung: Hab mir gedacht, ich bekomme von einem hocherfreuten Pfarrer, weil ein Pilger aus Sachsen, geboren in München, der einen Koblenzer Vater hat, vor ihm steht, einen Stempel in den Pilgerpass – aber im Pfarramt war wohl niemand, denn es wurde nicht aufgemacht. Die Alternative "INFO", die haben manchmal auch ganz schöne Stempel, half mir nichts, ich habe sie einfach nicht gefunden, auch das Rathaus nicht, obwohl ich durch die Rathauspassage gerannt bin – zu der Zeit hat's übrigens geregnet, vielleicht findet man die Info in Koblenz nur bei schönem Wetter.

In Koblenz ist's wie im Koblenzer Stadtwald: Du siehst ein wunderschönes Schild "Rathaus INFO", gehst und gehst und siehst nie mehr was, bis ein ebenso schönes Schild kommt, das in die Gegenrichtung weist. Bei Regen ist das besonders amüsant. Und im Wald sowieso. Da kann man dann lange amüsante Gespräche mit drei Joggerinnen vor einer Übersichtskarte initiieren, und jede macht einen anderen Vorschlag, welchen der 5 wegführenden Wege man am besten gehen sollte. Der beste Vorschlag war der, ich solle über den ...berg gehen (genaue Bezeichnung kann erfragt werden) da könne ich mich am besten orientieren. – Mir war aber der Weg zu weit!

Aber jetzt bin ich schon auf meine Wanderung im Stadtwald abgeschweift, wir sind ja noch am, bzw. auf dem Weg zum Deutschen Eck.

Schließlich habe ich es doch gefunden, im spitzen Winkel zwischen Rhein und Mosel, gewaltig, halbrund mit einer breiten Freitreppe davor. Und oben auf dem Pferd in Bronze Kaiser Wilhelm! Oder so einer, Ihr seht schon, mit der Geschichte hab ich's nicht so, ich schreib das ja alles aus dem Gedächtnis!

Der Platz davor bis zum Geländer an Rhein und Mosel ist besandet, da können sich die Leute überall hinstellen und fotografieren. Die paar aufgestellten Sitzbänke sind ohne Lehnen, dafür ist die Sitzfläche doppelt tief, unbequem zum Sitzen für einen erschlafften Pilger, aber wenn man Matte und Schlafsack...?

Am Geländer entlang glotzen riesige Löwenköpfe aus Bronze auf das Geschehen am Platz, für was sie die Ringe in den Mäulern halten ist mir unklar, für die Schiffe sind sie bestenfalls bei Hochwasser geeignet, für Pferde sind sie zu groß ausgefallen.

Gegenüber auf dem anderen Zwickel zwischen Mosel und Rhein ist der Koblenzer Campingplatz. Auf der Rheinseite gegenüber erhebt sich die Festung Ehrenbreitstein.

Da sieht man wie sich die Zeiten geändert haben.

Drüben die Festung, die Unüberwindlichkeit des Deutschen, hier das Deutsche Eck, der Stolz auf das Deutsche, und dann die Weltoffenheit und Legerness, zu der der Deutsche auch, Gott sei Dank, bereit sein kann.

Ich geh noch in die Altstadt durch wenig liebenswerte Strassen. Und bin überrascht. Als ich vor 30 Jahren das letze Mal da war, gab's sowas noch nicht. Tische und Stühle auf den Strassen und Leben. Und glücklicherweise gibt's einen Wolkenbruch und ich komme zu Kaffee und Joghurtkuchen mit Waldfrüchten und dem ersten Schoppen Moselwein!

Alles geht mal zu Ende, auch ein Patzregen und ein Tag in Koblenz. Am nächsten Tag will ich weiter ziehen. Es treibt mich die Mosel hinauf Richtung Frankreich!

Zum Wohle!

Siegfried

3
Juli
2008

Niederlahnstein (1. Juli), Koblenz (2. Juli)

Geschrieben von Siegfried | Kommentare: 2

Hallo Ihr Lieben,

heute ist eigentlich schon der nächste Tag, der 2. Juli, aber gestern war ich bis abends mit dem Beschreiben des Vortages – Ihr könnt Euch erinnern, Bad Ems – Jugendherberge! beschäftigt.

Also so hab ich mir das vorgestellt, ich sitz um 10.00h morgens auf einem Bankerl, vor mir fließt der Rhein, gegenüber werden die weiter rheinaufwärts noch recht hohen Hänge des Hunsrück (Hunsrück ist südlich der Mosel, Taunus ist südlich der Lahn, Eifel ist nördlich der Mosel, Westerwald ist nördlich der Lahn! habe mich durch Alfons aufklären lassen) niedriger und vor der nächsten Brücke rechts hören sie ganz auf. Über der Brücke spitzt die Spitze einer Kirchturmspitze hervor, ganz weit hinten sieht man unter der Brücke durch noch unklar im Morgendunst eine weitere Brücke und Häuserfassaden schimmern. Da ist Koblenz, die Stadt in der mein Vater geboren worden ist.

Gegenüber von mir die große Kilometermarkierung für die Schiffer: "588". Seit der Lahn weiß ich, dass die Kilometer vom Ursprung des Flusses her gemessen werden, wobei ich noch nicht herausbekommen habe, wie dieser Ursprung definiert ist. Ist es die Stelle, ab der der Fluß schiffbar ist mit Modellbooten, mit Ruderbooten, mit Jachten, mit Lastkänen, oder beginnt das Zählen schon bei der Quelle? Ich finde das Ende eines Flusses ist viel leichter festzulegen.

Grade kommt wieder ein Lastkahn rheinabwärts, dieser hat hinten eine deutsche Flagge. Die meisten sind Holländer, ein paar Schweizer Kähne kamen gestern auch vorbei, auch ein Belgier. Eines dieser langen Schiffe ist gestern rheinabwärts gekommen, hat vor mir gedreht und ist dann die schmale Lahn aufwärts gefahren. Alle Achtung! Es war ein Holländer, vor dem Ruderhaus (da wo der Steuermann drin ist) ein eingegrenzter Kinderspielplatz mit allem drum und dran, hinter dem Ruderhaus, das ja immer fast am hintersten Ende der Lastkähne ist, gibt's noch einen kleinen Parkplatz, auf dem zwei Autos stehen. Ich hab noch nicht heraus bekommen, wie die die runter bringen.

Bei der Aktion mit dem Wenden und Einfahren in die Lahnmündung war offensichtlich die ganze Familie im Ruderhaus beim Papa, ich sah die Frau und zwei größere Kinder. Es war offensichtlich vielleicht doch keine alltägliche Aktion.

Gerade ist wieder ein doppelt langer Kahn vorbei gekommen. Da ist vor dem Kahn mit dem Motor und dem Ruderhaus noch ein weiterer, gleich langer, aber eben ohne Antrieb, vorgekoppelt, der wird also geschoben. An der Koppelstelle sind die Schiffe mit Seilen zusammengebunden, hier stehen und werken auch zwei kräftige, braungebrannte Männer, die immer wieder zum Ruderhaus sehen. Ich könnte mir vorstellen, dass der Verbund der beiden Schiffe nicht steif ist, sondern dass in Flußbiegungen die Seile so gelockert werden, dass sich die Schiffe zu einander verdrehen können. Ich hatte schon gestern so einen Verbund gesehen, und da sah es so aus als wenn dies hydraulisch bewegt worden wäre.

Meine Lieben, Ihr seht, ich komme immer vom gestrigen ins heutige, aber das kommt eben daher, dass ich jetzt nicht vor einem Glaserl Wein, blickeinwärts, sitze, sondern auf einem Bankerl am Rhein, worauf ich mich schon so lange gefreut habe.

Wenn ich nach links sehe, sehe ich auf der anderen Seite das Brauhaus der Königsbacher Brauerei und drüber auf dem noch höheren Hang einen Fernsehturm. Von ganz links höre ich Geräusche eines Krans, der gerade einen Lastkahn entlädt, ich bin vorhin dran vorbei gekommen.

Gestern war ja auch nicht gerade ein besonders anstrengender Tag, obwohl der Führer eine mittelschwere Tour mit 18km von Bad Ems nach Lahnstein vorschlägt. Ich habe mir die Rundgänge durch die Berge gespart und bin mitten durchs auch da schöne Lahntal auf dem Fahrradweg gegangen. Und so war ich schon um 14.00h in Lahnstein.

Es zieht sich ja endlos hin, bis endlich die Mündung erreicht ist. Erst kündigen Hochhäuser auf Berggipfeln an, dass da was kommt, das ist offenbar Lahnstein i.d.H. (in der Höhe), dann sieht man eine malerische Burg, Burg Lahnstein, dann kommt man an einem Wegweiser vorbei: Oberlahnstein 5km; dann geht's endlos an einem Campingplatz vorbei mit Dauercampern und Jachten vor den "Hütten". Dann marschiert man durch Kleingartenanlagen und immer denkt man sich, es kann doch nicht mehr so weit sein! Die Berge werden niedriger, die bewaldeten Hänge machen das Tal aber immer noch schmal.

Dann, es kreuzen auch immer mehr Strassen- und Eisenbahnbrücken das Tal, sehe ich rechts oben Häuser und einen kleinen Weg vom Fahrradweg weg in den Ort. Ich gehe die paar Schritte hoch, in der Erwartung, Leben, Schönheit, Cafes, ein einladendes Gasthaus zum Übernachten zu entdecken. Nichts von dem, es scheint eine ausgestorbene Stadt, auch nicht schön wie die Lahnstädtchen weiter oben. Ein Gasthof, der zu ist, ab und zu ein Auto. Ich gehe ein Stück weiter und bei nächster Gelegenheit wieder runter auf den Fahrradweg an die Lahn.

Es geht noch ein gutes Stück, dann erscheint, kurz vor einer Brücke, das herausgeputzte "Wirtshaus an der Lahn", hier war Goethe mal abgestiegen, als er mit dem Schiff vobei gekommen ist. Für mein Budget ist das nicht geeignet, also wende ich meinen Blick und gehe weiter. Nicht weit hinter der Brücke kommt Hotel "Poseidon", ein Grieche und er hat eine Tafel heraußen "Zimmer frei". Nach dem was ich bei dem Abstecher in den Ort vorhin gesehen habe, habe ich nicht viel Hoffnung, ohne großes Rumsuchen noch was besseres zu finden – was sich später auch rausstellt!

Nun habe ich ein Zimmer und einen freien Nachmittag! Duschen und Kuchen essen!

Im Poseidon gibt's keinen Kuchen, also trinke ich ein Weißbier zwecks der Vitamine. Leicht angesäuselt wandle ich den Rad-, Fußweg weiter lahnabwärts und tatsächlich, da kommt der Rhein. Am Hang gegenüber leuchtet ockerfarben die Burg Stolzenfels herüber, der Rhein fließt sehr schnell und ist sicher so an die hundert Meter breit. Die Lahn ist so langsam, dass deren Wasser an der Stelle, an der sich die beiden Flüsse treffen, wie vom Rhein abgeschnitten scheint.

Ich stehe, schaue und genieße! Wieder ein Teilziel erreicht, diesmal kein geistliches Ziel, diesmal "Vater Rhein"!

Ich gehe weiter und sehe nun gleich rechts hinter Bäumen die Johanniskirche, eine Kirche die zur gleichen Zeit wie Kloster Arnstein gebaut worden ist und auch zur gleichen Klostergemeinschaft gehörte und heute noch gehört. Außen werden gerade Arbeiten im Sockelbereich durchgeführt, wobei auffallend ist, dass ein mehr als 50cm tiefer offener, entwässerter Graben um das Gebäude angelegt ist. Am Haus gibt es Angaben über Höchsthochwasserstände, die innerhalb der letzten 15 Jahre bei um die 3m über dem Boden liegen, auf dem ich stehe. Ähnliches hab ich auch am "Wirtshaus an der Lahn" gesehen. Unvorstellbar! Und dass die Leute seit Hunderten von Jahren immer wieder bereit sind alles wieder herzurichten.

Vor der Kirche ein großer Stein mit einer goldenen Jakobsmuschel drauf:

SANTIAGO 2560 km!

Wenn ich mich nicht irre, waren's in Dagobertshausen bloss noch etwa 2300 km und seitdem bin ich sicher schon einige hundert gelaufen. Also mit den Entfernungen nehmens die Jakobsjünger nicht so genau. Es gibt ja auch viele Möglichkeiten. Ich brauch mir bloss meinen Führer ansehen: Da wo der Radweg mit 10km auf bequemer, – laut Bibel der bequeme Weg des Lasters (oder so...?) – ebener, geteerter Strecke hinführt, hetzt mich der Jakobswegführer über Schotterwege, durch Brennesseln, über ungesicherte Steige nicht nur bergauf, sondern dazwischen wieder runter, weil das für die Fußspitzen so besonders angenehm ist und dann wieder bergauf um die Fußspitzen zu entlasten. Damit man möglichst viel davon hat, ist das aber nicht ein kürzerer Weg, wie Fußgängerlaien so annehmen – hat mir erst kürzlich einer gesagt "ihr könnt ja immer Abkürzungen gehen" – NEIN! Wir gehen extra Zickzack um ja keine Sehenswürdigkeit oder markanten Punkt auszulassen. Und so kommt erfahrungsgemäß leicht bis die doppelte Entfernung unter erschwerten Bedingungen zusammen. Was allerdings bei dieser Streckenplanung strickt vermieden wird, ist das Anlaufen von Wasserstellen – ausser zweimal – und das Vorbeikommen an einladenden Gasthöfen.

In der Johanniskirche war ich natürlich auch, sie ist kleiner als Arnstein und modern gestaltet. Kein Wunder, wenn man an die häufigen Hochwässer denkt! Hinter dem Altar ist eine ansteigende Stufenreihe zu einem vielleicht 3-4m erhöhten Podest, Empore, ganz flüchtig habe ich gelesen, dass dies eine der ersten Emporenkirchen in Deutschland gewesen sei.

Ein Cafe hab ich natürlich immer noch nicht, auch einen Pförtner wie den Bruder Stephan gibt's hier anscheinend nicht. (Später in Koblenz hat mir Alfons erzählt, dass es keine Mönche mehr gebe in Niederlahnstein weil sie keinen Nachwuchs mehr haben. Traurig.) Also auch keinen Stempel, obwohl Niederlahnstein in alter Zeit ein Sammelpunkt der vom Osten kommenden Pilger war.

Von hier gingen die einen Richtung Süden weiter, die anderen Richtung Norden, über Köln. Die ganz gscheiten oder gehfaulen haben sich hier über den Rhein gemacht und sind, wie ich das auch vorhabe, moselaufwärts nach Trier gewandert (wegen der verschiedenen Wege gibt's natürlich auch die so unterschiedlichen Entfernungsangaben).

Ziemlich trostlos an Stahlzäunen vorbei, die das Areal des von den Patres geführten Gymnasiums einhausen, gehe ich wieder Richtung Innenstadt, zunächst wieder an wie tot dastehenden Häusern vorbei. Auf einem kleinen, etwas erhöhten Platz endlich: ein paar Sonnenschirme, ein paar Tische und ein paar Leute und ein bisschen Leben, ab und zu umrundet ein Auto den Platz! &ndash Ich bekomme einen Eiskaffee, einen guten Apfelkuchen und trinke schließlich noch einen Schoppen Frankfurter Apfelwein.

Jetzt wohlgestärkt genieße ich am Rhein auf der Wiese liegend alles was um mich geschieht: Die Eisenbahn, die über die Brücke hinter mir fährt und mir fällt auf wie schnell das Fahrgeräusch verebbt sobald die Bahn die Brücke verlassen hat. Es überträgt sich praktisch kein Geräusch über die Schienen.

Die langen Eisenbahnzüge mit den großen Containern auf der anderen Seite des Rheins, die Lastkäne lang und bedächtig nach oben fahrend.

Einen weißen großen Schaufelraddampfer – natürlich kein "Dampfer" – mit Ausflüglern an Bord. Einen Vierer mit vier Ruderinnen besetzt und einer Steuerfrau, mit kräftigen Schlägen biegen sie rheinabwärts kommend in die Lahnmündung ein. Und auf ein Kommando rufen sie, ihre Ruderschläge zählend: acht – sieben – sechs – ... Sie sind am Ziel.

Zwischen meinen aufgestellten Knieen leuchtet Schloß Stolzenfels in der Abendsonne. Ich bin wieder, wie schon so oft, glücklich!

Aber jetzt, da ich dies geschrieben habe und mein MDA meldet: "Akku leer", muß ich noch nach Koblenz.

Ich bin bei Alfons! Gestärkt!

Natürlich, als ich wieder einmal GPS verwenden wollte, um die Strasse zu finden, zeigte mir mein Gerät kurz Plan und Strassenliste an, dann wars dunkel. Strom finito. So machte ich doch auch noch eine kleine Ehrenrunde und lernte ein schönes neues Wort kennen: "Fädchen" für einen schmalen Weg. Ja, auch das ist Koblenz!

Siegfried

3
Juli
2008

Bad Ems (30. Juni)

Geschrieben von Siegfried | Kommentare: 0

Heute ein Tag wo wieder viel los war, vormittags besinnlich, nachmittags anstrengend mit Überraschung.

Nachdem im Jakobswegführer die Besichtigung der Klosterkirche von Arnstein dringend empfohlen wird, aber auch alle Wege: Jakobsweg, Lahnweg, Europäischer Fernwanderweg daran vorbeführen, ich also gar keine andere Wahl habe, und außerdem Alfons – mein Cousin, den ich ja in ein paar Tagen in Koblenz besuchen werde und der sicher danach fragen wird – davon geschwärmt hat, habe ich mich in aller Früh, so gegen 9.30h, aufgemacht, den ersten Berg zu erklimmen. Kirche und Kloster stehen hoch über dem Lahntal und die Kirche im romanischen Stil, erinnernd an Limburg, ist weithin sichtbar.

Gefühlsmäßig sind sicher mehr als 100 Höhenmeter zu erklimmen! Dann kommt man an einer gewaltigen und hohen Mauer vorbei. Bruder Stephan hat mir erzählt, dass das ja hier einst eine Burg war, aber vor sehr langer Zeit seien vom Burgherrn Graf ... (das steht alles auch im Führer oder Internet!) die Mönche hergerufen worden. So existiert dieses Prämostratenser-Kloster seitdem durchgängig. In einigen Kilometern Entfernung gab es seinerzeit auch ein Nonnenkloster, an dessen Ruine bin ich gestern vorbei gegangen. Über das Zusammenwirken beider Klöster gibt's natürlich auch Schauergeschichten. Wer's genauer wissen will, sollte mich demnächst mal bei einem Bier danach fragen.

Ich komme also an den großen Parkplatz vor Kloster und Kirche und lese "zur Klosterpforte". Gleich denk ich an meinen Pilgerpass und an einen wirkungsvollen Stempel.

Es öffnet Bruder Pförtner, wie sich später herausstellt Bruder Stephan, der mich gleich in sein Büro bittet.

Vorbei geht's durch einen langen Flur an Möbeln, Stühlen und sonstigen Sachen, auch Bruder Stephans Zimmer ist voll davon. Ja, er entschuldigt! Es wird umgebaut. Ich hab's schon gesehen beim herkommen. Ich bekomme ein schön kühles Glas Wasser und einen mit Liebe in meinen Pass gedrückten Stempel. Wir unterhalten uns gut, dann begleitet ich Bruder Stephan zur Kirche. Ein hochromanischer Bau mit einem barocken Altar. Vorne am Altar brennt eine große Anzahl von Kerzen. Bruder Stephan sagt, die zünde der Sakristan jeden Tag an. Es sind alles Kerzen, die von Leuten in einem besonderen Anliegen gestiftet werden. Er geht vor und legt eine Kerze in die Schale. Er sagt, die wird für Sie, Siegfried, morgen brennen.

Dann führt er mich noch auf den Mönchsfriedhof an der Südseite der Kirche. Hier hat man den schönsten Ausblick auf Obernhof! Er macht ein Foto von mir, ich eins von ihm. Beim Zurückgehen durch die Kirche lege auch ich eine Kerze in die Schale, für Euch, auch sie wird morgen angezündet werden.

Beim Rausgehen treffe ich noch zwei Leute aus der Pension, der Mann sitzt im Elektro-Rollstuhl. Thema das Fußballspiel und mein heutiges Ziel.

Aber nun geht's los. Ein geteerter Rad-/Wanderweg führt immer in Sichtabstand zur Lahn und zur Bahntrasse lahnabwärts. Wie die Lahn schlängelt sich auch der Weg durch das jetzt schon wieder breiter werdende, bewaldete Tal. Hie und da ist es schon so breit, dass wieder ein Getreidefeld Platz hat. Dann kommt eine große moderne Mühle, die auch wirklich in Betrieb ist, und aus einem Kanal unter der Mühle strömt Wasser in hoher Geschwindigkeit.

Dann sehe ich ein Schleusenbauwerk, hier führt auch eine Fußgängerbrücke über die Lahn. Dann auf der anderen Seite ein malerischer Ort, er scheint teilweise von alten Mauern und Türmen umgeben: Dausenau, der Führer sagt "reingehen", ich fotografiere nur. Weiter geht's und bald sieht man Nassau und hoch im Berg einen markanten Turm: Die Stammburg der Nassauer, einem Stammgeschlecht des niederländischen Königshauses. Daher gibt's hier auch die "Oranierroute", die ich an einigen Stellen, vor allem auch im Bereich Dietz, wo die ...Burg steht, gekreuzt habe.

Bald kommt nun Bad Ems in Sicht und sehr angenehm für einen Fußgänger, der so um 15.00h in eine fremde Stadt kommt, ist, dass er gleich an der Information vorbei kommt (Hauptbahnhof). Es gibt Quartiere ab ca. 25EUR mit Frühstück. Aber heute will ich's wissen! Auf dem großen Stadtplan kann ich die Jugendherberge lokalisieren. Sie scheint schon ein bisschen am Stadtrand, aber in akzeptabler Nähe und außerdem ein wenig oben = schöne Aussicht! Ich rufe an, für einen alten Wanderer ist ein Zimmer frei, sagt die nette Dame am Telefon. Nun wandere ich los, schon bei der ersten Straße frage ich, ich möchte ja so schnell wie möglich oben sein. Ein netter Mann klärt mich auf. Da müssen Sie noch mindesrtens einen Kilometer laufen und dann erst geht's hinauf! Er schaut mich von oben bis unten an und sagt aufmunternd: Das schaffen sie schon! Also vorbei am Kurhaus, wo Kaffeehausmusik spielt, ich sehe mich da schon sitzen, durch Strassencafes, wo Leute feine Kuchen genießen und auf Tafeln Apfelstrudel mit Vanilleeis angeboten wird, vorbei an schattigen Biergärten, wo von der Kühle des Bieres angeschlagene Weißbiergläser verlockend grüßen. Ich, verschwitzt, hechelnd, eile wie in einem Gemälde von van Breughel durch alle diese Verlockungen. Ich habe ein Ziel: Die Jugendherberge! Nun geht's den bekannten Berg hoch. An einer Kreuzung bin ich nicht ganz sicher. Ein Auto hält, ein Ruf: Hallo, wie gings gestern nach Obernhof? Es ist das Ehepaar, das mir gestern gesagt hatte, dass ich noch 2 1/2 Stunden zu gehen habe. Wir unterhalten uns lautstark über die Straße. Dahinter stauen sich Autos, aber keiner hupt, ich glaube die Leute amüsiert unser Gespräch.

Endlich stehe ich vor der Empfangsdame der Jugendherberge. "Bitte Ihren Herbergsausweis!" Ja, so was habe ich natürlich nicht. Mich trifft Gott sei Dank nicht der Schlag, aber ich schwitze so, dass sie ein Erbarmen hat. Ein Ausweis würde 21EUR kosten! Gut, dann sagen wir, Sie sind auf Probe da, und ich darf einchecken. Die Übernachtung incl. Frühstück im Einzelzimmer, allerdings mit 2 Doppelstockbetten und Dusche kostet 22.90EUR. Jetzt kann ich mich ausgiebig duschen und meinen Feierabendanzug anziehen. Dann breche ich wieder nach der Innenstadt, bzw. dem ersehnten Apfelstrudel und der Kaffeehausmusik auf, es ist kurz nach sechs, als ich nach 20 Minuten wieder im Ort bin - ja, es gibt auch den alten Ort Bad Ems, wo's Rathaus ist und die normalen Geschäfte!

Aber da sind bereits alle Stühle vor den Cafes verschwunden und es ist nicht mehr mehr los wie in den kleinen Örtchen in denen ich schon war. Also gar nichts.

Es bleibt mir nichts anderes übrig als Richtung Kurhaus zu gehen. Ich bin also noch gut 20 Minuten durch den Ort, den Kurpark und an der Spielbank vorbei unterwegs. Die Spielbank ist ein großes weißes Gebäude in so einem Stil, dass man sofort weiß, aha, das ist eine Spielbank, außerdem steht's auch noch drauf.

Mitten in der hier breiten Lahn eine Fontaine. Im Park eine Büste von Zar Alexander II., der hier öfters zur Kur war, gegenüber, vom anderen Ufer der Lahn leuchtet die kleine goldene Kuppel der Orthodoxen Kirche herüber.

Auch eine Gedenktal ist da, auf der auf die Minute genau draufsteht, wann hier Kaiser Wilhelm I. Graf Bernadotte 1870 empfangen hatte und dabei die Forderungen der Franzosen in Bezug auf die spanische Thronfolge abgelehnt hatte. Dies war der Anlaß für den deutsch-französischen Krieg 1870/71 (eigentlich die Depeche – heute wärs eine Email – Bismarks darüber, die "Emser Depesche", die der entsprechend, weil er den Krieg ja gewollt hatte, formuliert hatte).

Auf dem Platz hinter der Spielbank mehrere "Strassenschilder" an einer Säule, sind es aber nicht. Es sind Schilder der Partnergemeinden in England, Frankreich usw... Was ich aber besonders nett finde, dahinter steht ein rotes Londoner Telefonhäuschen, leider sind ein Teil der Glasscheiben eingeschlagen. An einer Säule dahinter sind ein original englischer und ein französischer Briefkasten montiert.

Endlich finde ich auch ein Restaurant, vor dem noch ein paar Leute sitzen. Ich esse, trinke Weißbier und schreibe bis 10.15 an Euch. Dann geht's Richtung Jugendherberge. Um 11.00h hab ich sie erreicht, so verschwitzt, dass ich nochmal dusche. Jetzt noch jugendherbergsmäßig das Bett überziehen, dabei den Kopf einziehen, damit er sich am oberen Bett keinen blauen Fleck holt.

Ein Blick aus dem Fenster über das nächtliche Bad Ems. Aber ich seh nur auf ein Bitumen-gedecktes Flachdach. Ist das die Strafe für begangene Architektensünden?

Euer totmüder Siegfried

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